Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung nötig

4 Januar 2015

Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung nötig

Längst ist klar, dass die berufliche Bildung im Freistaat gegenüber der akademischen Ausbildung in eine immer größere Schieflage gerät. Das ist kein Wunder, denn das Hochschulstudium gewinnt in den Augen vieler junger Leute immer mehr an Attraktivität. Eine erst kürzlich vorgestellte Allensbach-Umfrage im Auftrag der Vodafone-Stiftung zeigt zudem, dass viele Schüler überhaupt nicht wissen, was sie werden sollen.

Deshalb suchten wir FREIE WÄHLER bei einem von mir initiierten Parlamentarischen Abend zum Thema „Fehler im System?! - Ist der bayerische Lehrlingsmangel hausgemacht?“ nach Antworten auf beispielsweise diese Fragen: Wie können Handwerksbetriebe und kleinere Unternehmen mit einem ausreichenden Angebot an Lehrlingen versorgt werden? Was muss getan werden, um Schülerinnen und Schüler frühzeitig an für sie geeignete Berufe heranzuführen?

PA

Christian Gohlisch, Leiter der Abteilung Berufliche Bildung bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern, lieferte beunruhigende Zahlen: Im Laufe der vergangenen zehn Jahre sei der Lehrlingsbestand im bayerischen Handwerk um knapp 20 Prozent zurückgegangen – allein seit 2009 habe sich die Anzahl der unbesetzten Lehrstellen sogar verdoppelt. Sein Haus kämpfe dagegen mit der Kampagne „Macher gesucht“ an, die die Vorzüge des Wirtschaftsbereichs Handwerk betone: Die Vielfalt von 130 Ausbildungsberufen, sichere Arbeitsplätze in der Region, hervorragende Perspektiven durch Selbständigkeit – und last, but not least: der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte.

Die meisten Schulabgänger könnten zwar in eine Lehrstelle vermittelt werden, sagte Dr. Corinna Kleinert, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Manche suchten anschließend jedoch bei der Agentur für Arbeit weiter nach einer Alternative, die ihnen besser liege. Problematisch seien vor allem die Ausbildungsabbrüche: 2012 sei im Freistaat fast ein Viertel aller Ausbildungsverhältnisse vorzeitig gelöst worden – insbesondere bei Berufen mit vergleichsweise geringen Bildungsvoraussetzungen wie Koch, Kraftfahrer oder im Gastgewerbe. Kleinert forderte, die Passgenauigkeit zwischen Bewerbern und Stellen müsse verbessert werden und Betriebe müssen die Attraktivität ihrer Ausbildungsstellen erhöhen. Wichtig sei auch, dass der Freistaat Bayern wieder mehr Fördergelder in die schulische Ausbildung junger Menschen stecke.

Anstelle der erkrankten Referentin Ursula Lay vom Präsidium der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Lehrerverbände referierte der Landesvorsitzende des Verbandes der Lehrer an beruflichen Schulen (VLB) Jürgen Wunderlich: Schüler allgemeinbildender Schulen müssten von ihren Beratungslehrern frühzeitig auf für ihre Fähigkeiten und Interessen geeignete Berufe aufmerksam gemacht werden. Um Lehrerinnen und Lehrer entsprechend zu befähigen, betreibe der VLB einen hohen Aufwand mit dem Ziel herauszufinden, welche Betriebe für die duale Ausbildung besonders geeignet seien. Wunderlich dankte den Freien Wählern dafür, dass diese sich auch außerhalb des Landtagswahlkampfs für die Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung einsetzten.

HAndwerk

„Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, so Eugen Hain. Der Leiter der Arbeitsagentur Würzburg beklagte, Projekte zur Berufsorientierung liefen oft viel zu rasch aus. Der „Fehler im System“ liege an genau dieser fehlenden Verstetigung entsprechender Haushaltsmittel. In der Wohlstandsgesellschaft Deutschlands rechneten sich Investitionen in Bildung jedoch immer. Hain rief auch dazu auf, sich stärker auf ‚Einflüsterer‘ wie Eltern, Mitschüler und enge Freunde der Schüler zu konzentrieren. Dieses unmittelbare soziale Umfeld habe einen enormen Einfluss auf eine erfolgreiche berufliche Entscheidungsfindung der Jugendlichen.

Angesichts dieser Situation steht für mich deshalb fest, wir müssen weg von der Akademikerschwemme und von dem Druck, den viele Eltern auf ihre Kinder ausüben, um sie zu Abitur und Hochschulreife zu drängen. Und für eine Stärkung der beruflichen Bildung benötigen wir dauerhaft installierte Sozialpädagogen zur Berufsorientierung an den Regelschulen. Auch als Berufs- und Übergangsbegleiter in der Ausbildung sind Sozialpädagogen erforderlich, um jungen Menschen den für sie richtigen Weg aufzuzeigen. Das funktioniert eben – wie die Vergangenheit zeigt - nicht mit zeitlich befristeten Projekten zum Billigtarif.

„Wir müssen wieder den Mut zur Gleichheit zwischen beruflicher und akademischer Bildung aufbringen“, fasste Florian Streibl die Diskussion zusammen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FREIE WÄHLER Landtagsfraktion betonte in seinem Schlusswort, Demokratie bedeute eben auch dieselbe Würde für alle Menschen – egal welchen Ausbildungsweg sie eingeschlagen hätten. Ratschläge nach dem Motto: „Das geht doch nicht, dass Du Dein Kind nur auf die Realschule schickst“, seien deshalb kontraproduktiv.

Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Gesellschaft nicht gelingen kann, wenn sie nur noch Akademiker hervorbringt. Denn das Lebensglück hängt eben nicht von Abitur oder Hochschulabschluss ab – sondern davon, ob die berufliche Tätigkeit den Menschen ausfüllt. Dafür setzte ich mich in meiner Arbeit im Bildungsausschuss weiter ein – und da bin ich  für jede Unterstützung dankbar.

Hier finden Sie außerdem ein Video zu unserem Parlamentarischen Abend.


 

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