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15 Juni 2012

Mehr Ehrlichkeit in der Inklusions-Debatte – Vielfalt ist bereichernd

Endlich traut sich auch einmal ein Bildungsforscher in der Inklusions-Debatte Klartext zu reden. "Ich glaube nicht, dass der inklusive Weg immer der richtige ist", sagte Prof. Dr. Bernd Ahrbeck vom Institut für Rehabilitationswissenschaft der Humboldt Universität zu Berlin kürzlich und da stimme ich ihm aus voller Überzeugung zu: Inklusion JA, aber nur dort, wo es Sinn macht! Schon mehrfach habe ich an dieser Stelle davon gesprochen, dass die Inklusion Grenzen hat, das kann ich aus eigener Erfahrung aus meiner langjährigen Berufspraxis an der Dr. Karl-Kroiß-Schule für Hörgeschädigte berichten.


Und als unsere Fraktion dieser Tage mit den Vertretern des Bayerischen Gemeindetages zu einem Parlamentarischen Abend zusammen kamen und dessen Präsident Dr. Uwe Brandl „ein Stück mehr Ehrlichkeit in der Bildungs-Diskussion“ forderte, habe ich ihm spontan recht gegeben. Über viele Jahrzehnte  haben wir ein hochspezialisiertes Förderschulangebot in Bayern aufgebaut, das hinsichtlich seiner Förderung für jedes förderbedürftige Kind ein Segen ist. Und wer dies wirklich objektiv betrachtet, der stimmt mir in dieser Bewertung zu.


Zweifelsfrei ist der Zugewinn durch die Inklusion, den Eltern das Wahlrecht für den Schulbesuch ihres Kindes zu übertragen, ein längst überfälligeAlternative, aber nicht grundsätzlich die allein glücklich machende. Eltern werten selten objektiv, sondern viel mehr emotional. Insofern habe ich es zu meiner „Lehrerzeit“ sehr oft erlebt, dass Eltern zunächst einmal den Förderschulbesuch ihres Kindes kritisch beäugten, aber nach einer gewissen Zeit merkten, dass die besondere Förderung an dieser Schulart ihrem Kind gut bekommt.


Deswegen bin ich mir sicher, dass wir auch in Zukunft bei aller Sympathie für den Inklusionsgedanken die Förderschulen brauchen. Es kann gut sein, dass wir weniger brauchen als wir derzeit haben. Die Inklusionsquote, die derzeit bei rund 10 Prozent liegt, wird hier den Weg weisen. Aber nicht immer und für jedes Kind ist die inklusive Schule der ideale Ort. Der ist vielmehr da, wo die optimale Förderung für das Kind vorhanden ist und bei den derzeit begrenzten Ressourcen, die die Staatsregierung bereit ist gerade für die Einzelinklusion an der Regelschule zur Verfügung zu stellen, ist dieWahlmöglichkeit gut zu hinterfragen. Eine Klasse mit 25 Kindern und 3 bis 5 Inklusionskindern ist keine wirkliche Alternative. Hier fordern wir von der Staatsregierung zumindest eine Klassenobergrenze von 20 Kindern bei bis zu fünf Inklusionskindern.




Es ist Zeit, für den inklusiven Weg. "Luca Jager" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nd) http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/deed.de


Im Übrigen kennen auch die Länder, die sehr viel Integrationserfahrung haben, kein System mit einer kompletten Inklusion. Auch ein Land wie Finnland hat klassische Sonderschulen für rund ein Prozent aller Schüler und zusätzlich besuchen dort rund drei Prozent der Kinder Sonderklassen. Offensichtlich ist anderswo auf der Welt die Erkenntnis, dass der Inklusion Grenzen gesetzt sind, schon weiter fortgeschritten. Allerdings gibt es zwischen Finnland und Deutschland auch einen elementaren Unterschied: 40 Prozent der Schulen in Finnland haben weniger als 50 Schüler und 60 Prozent haben weniger als sieben Lehrer. Insofern ist schon aus historischen und geografischen Gegebenheiten in Finnland so etwas wie ein klassisches Sonderschulsystem überhaupt nicht denkbar. Die großen Schuleinheiten, die wir hier haben, sind in Finnland gänzlich unbekannt. Im Mittelpunkt steht dort die Dorfschule, die Gemeinschaftsschule, so wie in Schweden. Im Mittelpunkt der deutschen Bildungstradition steht das Gymnasium.


Die grundlegende Frage ist doch: Was ist das Ziel von Schule, was ist das Ziel von Inklusion? Die Überzeugung, dass das Gemeinsame ein hoher Wert ist, teile ich. Aber das kann nicht das einzige Kriterium sein. Es geht in der Schule auch um die Entwicklung von Leistung und darum, Kinder angemessen auf das Leben vorzubereiten. Insofern ist zum Beispiel die Frage nicht unerheblich, wie viele Kinder, die als lernbehindert gelten, überhaupt zum Hauptschulabschluss kommen. Diese Frage muss man an beide Systeme stellen - an die Inklusion wie an die spezielle Beschulung. Die Erfolge der Sonderschulen sind auf diesem Gebiet nicht überwältigend. 25 bis 30 Prozent der Schüler erreichen einen Hauptschulabschluss. Wir wissen nicht, ob diese Zahl in der Inklusion wirklich höher sein wird.


Der Hamburger Schulversuch in den 1990er Jahren, ein klassischer Inklusionsversuch, bei dem u. a. die sonderpädagogische Förderkategorie im Bereich Lernen abgeschafft wurde, hat keine besonders ermutigenden Ergebnisse hervorgebracht. Die leistungsschwächeren Schüler sind die leistungsschwächeren geblieben. Das durchschnittliche Leistungsniveau der Klassen war auffallend gering, die Sonderschulüberweisungsquoten hatten sich nach vier Grundschuljahren keinesfalls reduziert.


Auch wenn insgesamt einiges dafür spricht, Lernbehindertenschulen nicht im bisherigen Ausmaß beizubehalten, so stellt sich dennoch die Frage, ob man für bestimmte Kinder weiterhin spezielle Schulangebote bereithalten sollte. Für Kinder nämlich, die in inklusiven Klassen nicht gut zurechtkommen. Besonders sensible Kinder, solche die sich leicht gemobbt fühlen, oder Kinder, die einen stabilen, vertrauten Rahmen brauchen, kommen oft in kleinen überschaubaren Gruppen mit engeren, intensiveren Bindungen besser zurecht.


Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass selbst die Eltern unterschiedlicher Auffassung sind. Es gibt Elterninitiativen für den Erhalt der Lernbehindertenschulen. Es gibt Elterninitiativen für mehr Inklusion. Eltern sind sehr auf pädagogischen Sachverstand angewiesen und auf fachlich kompetente Beratung, die möglichst unideologisch erfolgen sollte. Dabei mag für das eine Kind der eine Weg besser sein als der andere. Ich glaube nicht, dass grundsätzlich immer, zu allen Zeiten und bei jedem Kind der inklusive Weg der richtige ist. Und ich bin ebenso davon überzeugt, dass man nicht prinzipiell auf institutionelle Differenzierungen verzichten sollte.


Deshalb muss es den inklusiven Weg geben. Es ist zweifelsfrei ein großer Fortschritt, wenn Kinder ein Recht darauf haben, gemeinsam beschult zu werden. Gleichwohl macht eine gemeinsame Beschulung für ein Kind, das eine Behinderung aufweist, doch nur dann einen Sinn, wenn ihm diese Beschulungsform persönlich dienlich ist; wenn sie ihm hilft, in der Schule und im späteren Leben besser zu Recht zu kommen. Insofern müssen unterschiedliche Wege offen gehalten werden. Von einer radikalen institutionellen Entdifferenzierung halte ich wenig. So sind Kinder mit massiven Verhaltensstörungen oft nur sehr schwer zu integrieren. Es gibt weltweit kein tragfähiges Modell, in dem eine totale Inklusion für diese Personengruppe funktioniert.


Ein gutes Schulsystem ist eines, das Kindern und Jugendlichen mit Behinderung den bestmöglichen Weg ins Leben weist, das dazu führt, dass sie optimale Entwicklungsmöglichkeiten erhalten, um mit sich selbst und in der Gesellschaft zurechtkommen. Dabei spielt auch der Leistungsgesichtspunkt eine wichtige Rolle. Bei Schülern mit einer Lernbehinderung muss es ein starkes Bemühen darum geben, so viele Schüler wie irgend möglich zum Hauptschulabschluss zu bringen. Weil das eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass sich ihre Zukunftsperspektiven verbessern. Nach der Schule stellt das Leben an alle Menschen die gleichen Fragen: Kannst du lesen, schreiben, rechnen und kannst du dich adäquat benehmen? Die Relativierung pädagogischer Ziele im Sinne von Beliebigkeit und bunter Vielfalt steht häufig in einem krassen Widerspruch zu den Anforderungen des Erwachsenlebens. Schließlich soll die Schule Kinder auf das Erwachsenenleben vorbereiten.


Insofern sind mir manche Beiträge zur Inklusionsdiskussion ein bisschen zu schlicht. Ich glaube, dass der unbedingte Gemeinsamkeitswille ein Ziel ist, über das man noch einmal nachdenken sollte. Ist immer für alle Menschen das Gleiche gut genug? Inklusion im Sinne einer guten Förderung behinderter Kinder kann nur funktionieren, wenn wir hochgradig qualifizierte Spezialisten haben und wenn wir anerkennen, dass Menschen besonders sind und Besonderes brauchen. Die Abschaffung der sonderpädagogischen Förderkategorien, ihre Nivellierung zugunsten einer diffusen allgemeinen Entwicklungsförderung ist dazu kein guter Ratgeber. Eine große Gefahr ist, dass man behinderte Menschen in ihren Entwicklungsnotwendigkeiten übersieht, weil es allzu große Hemmungen gibt, ihre Schwierigkeiten als solche anzuerkennen und begrifflich zu fassen. Die Angst vor Etikettierungen ist manchmal schon ein wenig bedenklich.


Zu einer offenen Auseinandersetzung über die Inklusion muss es aber gehören, dass man über diese Bedenken frei sprechen kann. Ich habe den Eindruck, dass das gegenwärtig ziemlich schwierig ist. Im öffentlichen wie im fachlichen Diskurs wird leider sehr häufig projiziert und gespalten und diejenigen, die nicht im Mainstream mitschwimmen, werden dadurch in eine krasse Außenseiterposition gebracht. Der Satz "Vielfalt ist bereichernd" sollte auch hier gelten. Ihn auszusprechen ist offensichtlich leichter, als ihn ins Leben zu integrieren.



15 Juni 2012

Ganztagsschule in Bayern braucht endlich schlüssiges Konzept und ein Ende der Betreuungslücken

Eltern haben die Qual der Wahl: Gebundene Ganztagsschule, offene Ganztagsschule, Schule mit Mittagsbetreuung, Schulen mit verlängerter Mittagsbetreuung und um den Wirrwarr an Betreuungsangeboten in Bayern ganz zu machen, gibt es auch noch Horte. Dieser bunte Strauß an Betreuungsangeboten im Freistaat verursacht enorme Kosten, führt für den Laien zu erheblichem Durcheinander und dazu, dass die Ganztagsschulbetreuung in Bayern unter ihren Möglichkeiten bleibt.



Das ist die bittere Wahrheit, denn die Betreuungsangebote sind allenfalls halbherzig und vor allem ohne ein wirkliches Gesamtkonzept. Dies haben wir FREIE WÄHLER diese Woche im Plenum einmal mehr eingefordert.



Vor allem ein Konzept, das nicht nur an vier Tagen in der Woche, sondern auch freitags greift und vor allem auch die Ferienzeit mit einbezieht. Denn was nützen alle Sonntagsreden des Kultusministers und schön aufgepäppelte Pressemitteilungen, die zwar verkünden dass der Freistaat die Ganztagsangebote konsequent und bedarfsgerecht ausbaut, aber die Konsequenz in Form eines nachvollziehbaren Konzeptes vermissen lassen.



Was wir brauchen, das sind Qualitätskriterien für den Ausbau von Ganztagsangeboten. Wir brauchen nicht nur mehr, sondern auch gut ausgestattete Ganztagsschulen in Bayern. Deshalb ist die neueste Erhebung der Bertelsmann Stiftung zum Ausbau von Ganztagschulen als eine Ohrfeige für die verfehlte Bildungspolitik in Bayern zu werten und der letzte Platz im bundesweiten Ranking keine Überraschung, sondern ein Armutszeugnis. Nur jeder zehnte Schüler in Bayern nutzt ein Ganztagsangebot, während im Bundesdurchschnitt dies rund 28 Prozent annehmen.





Kein schlüssiges Konzept verursacht nicht nur enorme Kosten, sondern ist auch eine Belastung für die Schüler. "givany hecht" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de




Nirgendwo in Deutschland werden anteilig weniger Kinder ganztägig unterrichtet als in Bayern. Und das, obwohl inzwischen mehr als 45 Prozent aller bayerischen Schulen Ganztagsangebote machen. Aber genau darin liegt der Hase im Pfeffer und das offenkundige Auseinanderklaffen der Staatsregierungszahlen und der Realität begründet. Während die Staatsregierung in ihren Statistiken stets die Anzahl der Schulen, an denen Ganztagsbetreuungsangebote durchgeführt werden, auflistet, sind es aber in Wirklichkeit stets nur einzelne Klassenzüge an den Schulen. Deshalb gibt die Zahl der tatsächlich ganztags betreuten Schülern die REALITÄT wieder.



Bei alledem ist die Frage des Warum erlaubt? Ich bin überzeugt, es liegt zu einem wesentlichen, großen Teil daran, dass die bestehenden Betreuungsangebote bei weitem nicht so attraktiv und bedarfsorientiert sind wie sie sein müssten. So mangelt es vor allem an Grundschulen im ländlichen Bereichen an Akzeptanz, weil dort flexiblere Betreuungszeiten an einigen Tagen in der Woche dafür sorgen würden, dass die Eltern eher bereit wären ihre Kinder dorthin zu schicken. Einen entsprechenden Antrag haben wir FREIE WÄHLER in einem Antragspaket nun eingereicht, weil wir aus der Erfahrung und Gesprächen mit Lehrern, Eltern und Kommunalpolitikern an vielen Stellen Nachbesserungsbedarf sehen.


Bemerkenswert einfallslos im Übrigen der Hinweis von Kultusminister Spaenle auf unseren Dringlichkeitsantrag, dass man um Kinder auch freitags Nachmittag und in den Ferien betreut zu haben, auf die neue Öffnungsklausel im BayKiBiG, wonach Schulkinder auch in die den Kindertagesstätten oftmals angegliederten offenen Hortbetreuungen könnten. Doch was ist, wenn diese in den Ferien geschlossen haben? Oh, oh, lieber Kultusminister, solch ein Hinweis tut einfach nur weh und zeigt die Konzeptlosigkeit der Staatsregierung in diesem Bereich.


Hochinteressant war in diesem Zusammenhang in dieser Woche mein Besuch bei der Tagesheimschule in München an der Hochstraße. Dort werden Schüler seit 1963 in einem Modellprojekt in der Grund-und Mittelschule von einem Dreier-Team aus einem Lehrer und zwei Erziehern pro Klasse unterrichtet. Lehrer und Erzieher arbeiten Hand in Hand, die Schule hat pädagogische Kernzeiten von 7.45 bis 16.30 Uhr und von 7.00 bis 18.00 Uhr geöffnet, einfach spitze! Kein Schüler verlässt die Schule ohne Schulabschluss. Hier kann man von einem Leuchtturm unter Bayerns Schulen mit einem großartigen Konzept sprechen. Im Übrigen gibt es jede Woche Konferenzen der Lehrkräfte und eine Ferienbetreuung findet ganz selbstverständlich auch statt. Vielleicht sollte der Kultusminister einfach einmal an der Hochstraße vorbei schauen damit er weiß, was es in Bayern Ganztagsschul-Politik noch zu verbessern gilt.


Mit unserem Antrag fordern wir FREIE WÄHLER die Staatsregierung, endlich ein schlüssiges Konzept für eine wirklich durchgehende Betreuung der Schulkinder zu erstellen und damit die Betreuungslücken an Freitagnachmittagen und in den Ferien zu schließen. Schließlich zwingen uns die Anforderungen der heutigen flexiblen und mobilen Arbeitswelt und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen über unsere bisherigen schulischen und sozialpädagogischen Konzepte vollkommen neu nachzudenken. Und hierzu steht die Staatsregierung in besonderer Verantwortung. So kommt die BERTELSMANN-Studie nicht unverhofft zu der Erkenntnis, dass die Ganztagsschulpolitik in Bayern bei all den unterschiedlichen Organisationsformen des Schulalltags „eine Reise in die Zukunft ohne klares Ziel“ sei.



13 Juni 2012

Unterschriften gegen die Studiengebühren sind jetzt zur Prüfung am Innenministerium

Jetzt endlich sind die notwendigen Unterschriften zur Abschaffung der Studiengebühren im Kasten und wurden von meinen Kollegen Prof. Michael Piazolo und Dr. Hans-Jürgen Fahn im Innenministerium abgegeben. Knapp 30 000 Unterschriften sind es dann im Kampf gegen die Studiengebühren im Freistaat doch geworden. Damit wollen wir FREIEN WÄHLER ein Volksbegehren und einen sich anschließendes bayernweiten Volksentscheid erreichen. Unsere Forderungen liegen dabei klar auf dem Tisch: Der erste Hochschulabschluss muss unserer Ansicht nach vom Staat finanziert werden. Die nötige Zahl von 25 000 Unterschriften hatten wir Freie Wähler bereits vor einigen Wochen zusammen. Wir wollten aber sich sein, dass wir mit einem Puffer von fast 5000 Unterschriften, falls einige Unterschriften ungültig sind, immer noch genügend Signaturen gegen die Studiengebühren haben. Sogar die SPD-Landtagsfraktion hat uns zum Erreichen der 25 000 Unterschriften gratuliert und signalisiert eine Unterstützung unseres Ansinnens.




Bildung sollte kein Geld kosten, auch nicht der erste Hochschulabschluss. Foto: Gerd Altmann/Shapes:AllSilhouettes.com/PIXELIO; www.pixelio.de


Nun muss das Innenministerium den Antrag auf das Volksbegehren prüfen. Hat es rechtliche Bedenken, muss der Verfassungsgerichtshof entscheiden. Hält das Gericht das Volksbegehren für verfassungsgemäß, müssen sich binnen zwei Wochen zehn Prozent der stimmberechtigten Bürger in Bayern in Unterschriftenlisten eintragen. Wenn diese Zahl erreicht wird, kommt es binnen drei Monaten zu einem Volksentscheid, bei dem alle Bürger an die Urnen gerufen werden - wenn der Landtag das Anliegen des Volksbegehrens nicht direkt umsetzen sollte.


Juristische Einwände, wonach das Volksbegehren das Haushaltsrecht des Landtags berühren und deshalb unzulässig sein könnte, sehe ich persönlich nicht, schließlich wirkt sich die Entscheidung nicht unmittelbar auf den Staatshaushalt aus, sondern nur auf die Haushalte der Hochschulen. Ich bin gespannt, wie die Sache weiter läuft, aber ich freue mich, dass wir zunächst mal die Zwischenetappe geschafft haben und sich das in der Kälte herumstehen doch gelohnt hat. Unser politischer Kampf gegen die sozial ungerechten Studiengebühren werden wir weiter führen.



25 Mai 2012

Was treiben die Schulaufsicht und das Kultusministerium für ein Spiel?

Ich konnte es nicht glauben, was ich da im FOCUS über die Missstände an der „Schule“ der christlichen Glaubensgemeinschaft „Zwölf Stämme“ im schwäbischen Deiningen gelesen habe. Es las sich für mich wie ein Science Fiction, aber dabei ist alles Reality. Im Plenum des Bayerischen Landtages haben wir deshalb über einen Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN diskutiert, der das Eingreifen der Staatsregierung in die Machenschaften dieser Sekte mit den Kindern und die Aufklärung der Vorwürfe zum Ziel hatte.


Meiner Meinung nach hätte es eigentlich diesen Antrag gar nie geben dürfen. Denn die Missstände, die darin beschrieben werden, hätten nie entstehen dürfen. Diese sind doch nur möglich geworden, weil die Staatsregierung im Jahr 2006 nichts Manns genug war, den politischen Druck aufrechtzuerhalten und vor der Sekte und der Öffentlichkeit eingeknickt ist.



Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Da gibt es eine Sekte, die sich weigert, ihre Kinder in die öffentlichen Schulen zu schicken, weil sie unter anderem deren Sexualkundeunterricht und die Vermittlung der Evolutionslehre abgelehnt. Die gerichtlich verhängten Ordnungsmaßnahmen interessieren die Eltern nicht. Sie schicken ihre Kinder einfach weiterhin nicht zur Schule und missachten die Schulpflicht. Verhängte Ordnungsstrafen bezahlen die Eltern nicht und die Väter wandern dafür kurzzeitig ins Gefängnis.


Nachdem sich an der Wahrnehmung der Schulpflicht immer noch nichts besserte, wären als nächstes die Mütter mit Haftstrafen dran gewesen. Aber davor schreckte die damalige Staatsregierung zurück und genehmigte der Sekte kurzerhand eine Ergänzungsschule, in der die Eltern ihre Kinder hinter Klostermauern selbst unterrichten durften. Und das im Wissen, dass es um das Wohl und letztendlich auch die Zukunftschancen von Kindern ging.


Doch meines Erachtens ist der eigentliche Skandal hinter dem Skandal die Tatsache, dass heute Kommunen regionale Schulmodelle beantragen aber vom Kultusministerium partout nicht genehmigt bekommen. Wohingegen im Fall „Zwölf Stämme“ das Kultusministerium nahezu einen Inzest-Schulbetrieb genehmigte und über Jahre duldete. Da gelten dann scheinbar für ominöse Sekten andere Regelungen als für seriöse Kommunen.



Mehr als bedauerlich ist auch die Tatsache, dass die Schulaufsicht angeblich 10- bis 12-mal pro Jahr die Schule kontrolliert hatte und dass dieser dabei nie geschlagene und eingeschüchterte Kinder aufgefallen sein sollen. Da weiß ich gar nicht mehr was ich sagen soll. Da fallen mit nur noch die drei sprichwörtlichen Affen ein: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Aber wenn das die bildungspolitische Zukunft Bayerns ist, dann gute Nacht Freistaat!


Hier sehen Sie meine Rede zum Antrag der GRÜNEN im Landtag:




24 Mai 2012

200 Planstellen als „wunderbare Brotvermehrung“ und Allheilmittel

200 neue Planstellen sollen ab dem neuen Schuljahr als sogenannter Integrationszuschlag ins bayerische Schulsystem gegeben werden. Diese Stellen sind vornehmlich an Grund- und Mittelschulen, aber auch andere Schularten für die Förderung von Migranten-Schülern vorgesehen. Damit sollen zusätzliche Sprachförderkurse, Förderkurse für unbegleitete Jugendliche, individuelle Förderung an gebundenen Ganztagsschulen, zusätzliche Lehrerstunden in den Übergangsklassen, Senkung des Klassenteilers und zusätzlichen Förderstunden in Großstadt-Milieus abgedeckt werden.



200 Stellen klingen erst mal gut, aber ich befürchte fast, dass für all die aufgeführten Problemlagen dies unterm Strich deutlich zu wenig sein wird. Wie die Stellen bzw. die Lehrerstunden dann zugewiesen werden sollen ist freilich noch nicht richtig klar. Wie Kultusminister Spaenle im Bildungsausschuss mitteilte, sollen anhand der drei Faktoren Migrationsanteil, Jugendhilfebedarf und Sozialindizes hier die Verteilung erfolgen. Derzeit ist der Migrantenanteil an bayerischen Schulen mit 22,6% an Mittelschulen am höchsten und mit sechs Prozent an Gymnasien am geringsten. Mit 12 Prozent liegen die FOS/BOS ziemlich genau in der Mitte unter den verschiedenen Schularten.



Besonders diskutiert wurden die Übergangsklassen, in denen in größeren Städten Kinder mit Migrationshintergrund gebündelt beschult werden. Derzeit liegt hier der Klassenschülerschnitt knapp über 20 Schülern. Hier muss in meinen Augen nach wie vor der Schnitt gesenkt werden und ein Zwei-Lehrerprinzip angestrebt werden, um den vielfältigen Anforderungen der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden.



Aber über die Übergangsklassen hinaus benötigen wir auch für Regelschulen, an denen nunmehr wieder vermehrt Kinder von Asylbewerbern aufgenommen werden zusätzliche Unterstützung. Das vernehme ich auch aus meiner Heimatstadt Gemünden. Dort gehen teilweise Kinder von Asylbewerbern zur Schule, die kein Wort Deutsch sprechen. Dann sind die Lehrkräfte einfach überfordert, sich über den normalen Unterricht hinaus noch dieser Kinder umfassend anzunehmen. Mein Vorschlag lautete deshalb eine Art "Mobile Reserve Asyl" pro Regierungsbezirk zu schaffen, um so schnell und flexibel und nach Bedarf reagieren zu können und die Lehrkräfte vor Ort zu unterstützen.


Da kann er noch so viel gestikulieren – sein Vorschlag wird dadurch auch nicht besser: Kultusminister Spaenle. Foto: von Sigismund von Dobschütz (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0), , via Wikimedia Commons



24 Mai 2012

REIF ist reif!

Die Bildungspolitik ist nicht nur eines meiner Steckenpferde, sondern auch immer wieder Anlass für kontroverse Diskussionen. Erst kürzlich haben wir FREIE WÄHLER bei der Landesdelegiertenversammlung mit unserem REIF-Konzept unsere Vorstellungen von einer zukunftsorientierten Bildungspolitik artikuliert. REIF steht für „Regionale Entwicklung individueller Förderung“. Das Konzept trägt sowohl dem demografischen Wandel und den Auswirkungen für unsere Städte und Gemeinden Rechnung, sowie der seit Jahren bestehenden Mangelversorgung in allen Schularten. Dafür haben wir eine 97prozentige Zustimmung unserer Basis bekommen!



Charakteristikum unseres Bildungsprogrammes ist die regionale Entwicklung von hochwertigen flächendeckenden Bildungsangeboten auch im ländlichen Raum. Dafür brauchen wir Modellschulen und eine bessere Vernetzung zwischen den Schularten sowie eine qualitative und quantitative Verbesserung der personellen Ressourcen. So wollen wir FREIE WÄHLER an jeder Schule künftig einen Schulsozialarbeiter, einen Inklusionslehrer und Förderlehrer zur Unterstützung der vielfältigen Aufgaben und zur Entlastung der Lehrkräfte.





Individuelle Förderung ist in unserem Konzept tief verankert. Foto: Benjamin Thorn/ PIXELIO


Wenn man derart revolutionäre Gedanken hegt und äußert, bleibt es nicht aus, dass natürlich auch andere Meinungen zur Bildungspolitik vorhanden sind. Grundsätzlich kann ich dazu sagen, dass wir FREIEN WÄHLER keineswegs kategorisch die Gemeinschaftsschule ablehnen. Vielmehr fordern wir sogar entsprechende Modellversuche zuzulassen. Damit stehen wir im Übrigen im deutlichen Gegensatz zur CSU, die diese Schulform komplett ablehnt.



Wir FREIEN WÄHLER meinen, dass mit einem Modellversuch, wie er im Altmühltal von verschiedenen Gemeinden anvisiert ist, sehr wohl dem Ansinnen der Kommunen, eine nachhaltige Schule vor Ort mit einem hochwertigen Bildungsangebot anzubieten, Rechnung getragen werden muss. Dies ist ganz im Sinne unserer ebenfalls angedachten regionalen Schulentwicklung!



Allerdings – und das stelle ich auch klar heraus - sehen wir FREIE WÄHLER in der Gemeinschaftsschule als Regelschule, sprich bei Abschaffung aller anderen Schularten, auch kein Allheilmittel gegen die derzeitigen Probleme im Schulbereich. In etlichen Studien (wie BIJU oder LAU) und anderen wurde wissenschaftlich sehr deutlich nachgewiesen, dass an Gesamtschulen die Leistungen der Schüler um rund zwei Jahre (!) hinterher hinken. Und auch das soziale Lernen und der Ausgleich sozialer Ungleichartigkeiten gelingen entgegen den allgemeinen Erwartungen kaum. Deutsche Gesamtschulen bleiben in ihren Integrationsleistungen hinter den Schularten des gegliederten Schulsystems zurück. Diese Aspekte gilt es zu berücksichtigen und auch einmal in der Öffentlichkeit darzustellen.



Zielführender ist unserer Meinung nach deshalb die Förderung kreativer Modelle vor Ort, die wir mit unserem REIF-Konzept umsetzen wollen. Wir wollen keine ideologische und zentralistische Bildungspolitik, bei der immer nur das Kultusministerium in München Vorgaben macht. Wir wollen stattdessen pragmatische, gut durchdachte Lösungen, die gemeinsam mit den Beteiligten in einem Schulentwicklungsplan der Regionen entwickelt werden sollen.



Über die Freigabe des Elternwillens beim Übertritt will ich hier nicht schon wieder ausführlich diskutieren. Zumindest unter den momentanen Bedingungen sehen wir FREIE WÄHLER dies skeptisch, weil die entsprechenden Unterstützungssysteme mit einer verbindlicheren Elternberatung fehlen. Auch da sind sich die Bildungsforscher im Übrigen einig: Die soziale Ungleichheit beim Übertritt wird noch verstärkt.



Und zum Schluss will ich nochmal unterstreichen: In der CSU und im Kultusministerium verschwendet KEINER einen Gedanken an unsere POOL-Lösung mit Schulsozialarbeiter, Inklusions- und Förderlehrer für  jede Schule! Bei der Regierungsfraktion müssen sich derzeit mehrere Grundschulen einen Förderlehrer teilen, manche haben gar keine Förderlehrerstunden, einen Inklusionslehrer gibt es noch nicht mal im Denkansatz und einen Schulsozialarbeiter bestenfalls an jeder zweiten Grund-und Hauptschule, wenn die Kommune zusätzlich kräftig in die Kasse greift.



Im Übrigen habe ich bis heute noch Niemanden gehört, dem eine solche Vision nicht gefällt. Zu allererst bei den Lehrkräften ernte ich hierfür stets kräftigen Applaus: „Jawoll, des brauch mer!“ heißt es da, wie erst kürzlich bei der Delegiertenversammlung des Unterfränkischen Lehrerinnen und Lehrerverbandes in Schweinfurt.




Im Gespräche mit Lehrerinnen und Lehrern auf der Delegiertenversammlung des Unterfränkischen Lehrerinnen und Lehrerverbandes in Schweinfurt.





21 Mai 2012

Was kann Bayern von Israel lernen?

Vielleicht geht es Ihnen genauso, wie es mir bis vergangene Woche ging, wenn von Israel die Rede war: Holocaust, streitbares Volk, andauernder Terror und stets instabile innenpolitische Verhältnisse. Das waren die Begriffe, die ich mit dem "Heiligen Land" neben dem Ursprung der christlichen Religion in Verbindung gebracht habe. Die Terroranschläge während der Olympischen Spiele 1972 der Palästinenser auf die israelitischen Sportler, die ich als kleiner Junge damals miterleben musste, haben da ein Übriges dazu beigetragen.



Deshalb reiste ich auch mit einer gehörigen Portion Respekt mit dem Bildungsausschuss zu einer Informations-Reise in den Nahen Osten. Und nach sechs Tagen im Heiligen Land bin ich begeistert aus diesem Vielvölkerstaat zurück gekommen, mit der Einsicht, dass ich mehr (politische) Fragen als Antworten habe, aber auch mit der Erkenntnis, dass Bayern viel von Israel lernen kann.




Im Knesset in Jerusalem.




Die Vielfalt der politischen Aufgabengebiete und die damit verbundenen Kontroversen sind groß. So zum Beispiel die Problematik um die Palästinenser-Frage und die Siedlungspolitik der Israeli im Westjordanland oder der Umgang mit dem Gaza-Streifen und den Golan-Höhen. Dabei finde ich es bemerkenswert, dass es die Israeli geschafft haben trotzdem in den vergangenen zwei Jahrzehnten rund eine Million Bürger aus den früheren Sowjetrepubliken zu integrieren und diese Menschen heute zu den Leistungsträgern der israelitischen Gesellschaft zu machen. „Willkommens-Kultur“ ist dabei das Zauberwort, das ich kürzlich einmal bei einer Rede im Landtag verwendet habe und auch für unsere Integrationspolitik in Bayern gefordert habe.



Beachtenswert finde ich den Umgang mit der gemeinsamen deutsch/bayerisch-israelischen Vergangenheit. Moderne, alters- und zeitgemäße Aufklärung von Kindesbeinen an steht hier auf israelitischer Seite im Vordergrund. Gedenkstätten-Pädagogik ist hier das Stichwort für die Bildungspolitik. In der Gedenkstätte Yad Vashem steht eben nicht nur der Gräuel des Holocaust an den Wänden, sondern man wird hautnah mit der Ungeheuerlichkeit dieser Taten konfrontiert und davon angezogen. Ideenreichtum und technisch-innovative Präsentation gehört gerade auch bei der jüngeren Generation mehr denn je zur Geschichtsbewältigung dazu.




Die Gedenkstätte Yad Vashem. Foto: "Juliane Helmhold" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de




Deshalb bin ich mir sicher, dass es von großer Bedeutung sein wird, dass wir dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte in Bayern den Kindern und Jugendlichen viel frühzeitiger und intensiver vermitteln. Die angedachte Bildungs-Kooperation von bayerischer und israelitischer Seite ist dabei ein möglicher Baustein und der richtige Weg: Mehr Begegnungen von Lehrern und Schülern, mehr Partnerschaften zwischen beiden Ländern und vor allem die Jugend miteinander kommunizieren lassen. Bildung lebt von Erkenntnissen und Erlebnissen und nicht von Auswendiglernen alleine.



Jugend verbindet: So ist bei der Neukonzeption der Jugendherberge Nürnberg die Gedenkstätten-Pädagogik dem Jugendherbergswerk ein großes Anliegen und die Rabin-Jugendherberge Jerusalem mit den "Red Lines of Democracy" ein tolles Vorbild und die richtige Zielsetzung.



Und auch Schulpartnerschaften des Gymnasiums Oberstdorf oder Begegnungen des Ingolstädter Karolinen-Gymnasiums sind zarte und wichtige bildungspolitische Ansatzpunkte. Es ist auch beeindruckend, was deutsche Pädagogik an der "Schmidt-Schule" in Ost-Jerusalem, einem palästinensischen Autonomie-Gebiet, bewirken kann: Jungen Palästinenserinnen wird dort eine Schulbildung vermittelt, die sie letztendlich für Führungsaufgaben befähigen.



Doch Israel lässt auch viele Fragen offen: Etwa die, ob ernsthaftes Interesse an einer Lösung der Palästinenser-Frage besteht? Nach zahlreichen Gesprächen mit NGO's, Politikern, Journalisten und Beteiligten habe ich den Eindruck gewonnen, dass hier die internationale Staatengemeinschaft den Druck auf die Regierung in Jerusalem kräftig erhöhen und selbst eine klare Strategie für den gesamten Nahost-Bereich im Kopf haben müsste. Solange diese nicht vorhanden ist, frage ich mich, ob es sinnvoll  ist, dass jährlich rund 500 Millionen Euro von der Europäischen Union ohne konkrete Verpflichtungsmaßnahmen in dieses Land fließen?


von MathKnight and Zachi Evenor (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)



18 Mai 2012

Wenn München zu weit von der Wirklichkeit entfernt ist

Diese Zeilen sollten jedem Politiker zu denken geben:
"Es macht mich traurig, dass sowohl in der Politik, als auch in der Kirche in den Führungsriegen keine Ahnung darüber herrscht, was unten an der Basis abgeht. Aber man ist auch nicht bereit, auf die zu hören, die vor Ort konkrete Erfahrungen sammeln. Schade, dass von München keiner bereit war zu kommen, aber wir erleben das Gleiche auch so in der Kirche. Dennoch Danke für Ihr Engagement. Hören Sie nicht auf zu kämpfen".

Als ich dieser Tage diese Mail bekam, als Reaktion auf meine im letzten Newsletter veröffentlichten Blog zum BayKiBiG, haben bei mir alle Alarmzeichen geleuchtet. Sind diese Sätze nicht ein Grund für einem Phänomen, das wir alle seit Monaten gebannt verfolgen, den Sturmlauf der PIRATEN!

Da ist meines Erachtens so, denn die Worte und Sätze des Bürgers - der frustriert ist - spiegeln sehr deutlich die Ohnmacht der Bürgerinnen und Bürger wieder, die diese bei sicher noch mehr Themen als dem BayKiBiG empfinden. In gewisser Weise Ratlosigkeit, Ausgeliefertsein, Nicht-gehört-werden! Und genau dies greifen die PIRATEN auf und suggerieren das Gegenteil, so nach dem Motto, bei uns werdet ihr gehört, da könnt ihr mitstimmen und man hört auf eure Stimme.

Doch ich muss ehrlich sagen, ich höre mir auch des Bürgers Meinung an, lasse mich beraten und will mich als Parlamentarier nicht irgendeiner vorgegebenen Meinung der Staatsregierung aussetzen. Doch was passiert wirklich bei den Gesetzgebungsverfahren? Und in diesem Punkt profitieren die Piraten derzeit noch von ihrer eigenen Ahnungslosigkeit und auch der Nichtinformation der Bürger: Wir Abgeordnete stimmen im Landtag dem großen gesetzlichen Rahmen zu oder auch nicht. Und dann - so meine Erfahrung in den vergangenen drei Jahren - kommen oft ganz andere Botschaften bei den Menschen draußen an als wir im guten Glauben beabsichtigt haben.

So habe ich das im vergangenen Jahr bei der Änderung des Bayerischen Erziehungs-und Bildungsgesetzes zur Umsetzung der UN-Konvention zur Inklusion erlebt. Monatelang haben wir uns in der interfraktionellen Arbeitsgruppe die Köpfe zerbrochen und abgewogen, überlegt, ob man dieses oder jenes so machen kann, und dann kamen durch das Kultusministerium ganz andere Informationen bei den Schulleitern an. Sprich die Ausführungsbestimmungen zu den Gesetzgebungen, die in den Ministerialverwaltungen erstellt werden und keinem Landtag mehr vorgelegt werden, "verunstalten" ein Gesetz oft so, dass das Jammern dann bei den Ausführenden groß ist.

Ähnlich scheint es mir auch beim BayKiBiG zu sein, wenn ich die zahlreichen Wortbeiträge bei meinem Fachgespräch zugrunde lege, die letztendlich Details bei der Umsetzung darlegten, die aus dem Gesetzestext als solche nicht hervorgehen. Und darin liegt auch eine gewisse Ohnmacht von uns Parlamentariern, die spätestens dann, wenn die Piraten einmal versuchen in den Parlamenten ernsthaft Politik zu machen, auch deren Höhenflug stoppen werden.

Es entbindet uns Politiker dennoch nicht von der Verantwortung und muss gerade von uns Oppositionellen noch mehr zum Ausdruck gebracht werden. Auch vernehme ich beim Bürger viel zu oft die Pauschalität der Verurteilung von Politikern, da einfach Landtag und Staatsregierung in einen Topf geworfen werden.

Der Landtag beschließt ein Gesetz, aber für die Umsetzung ist die Staatsregierung und die einzelnen Ministerien zuständig. Und da müssten die Menschen einfach bei stetiger Unzufriedenheit mit Gesetzesumsetzungen - siehe BayKiBiG oder BayEUG, also die ewige Diskussion mit zu viel ausfallendem Unterricht und dem Schulsystem - auch bei der Landtagswahl einmal konsequent sein und dann ihre Konsequenzen ziehen und anders bzw. entsprechend urteilen und anders wählen. Vielleicht würden dann endlich auch in den Ministerien die Mauern fallen und die Beamten wieder bereit sein auch einmal sich an der Basis in Unterfranken blicken lassen, um die Meinung des Volkes anzuhören.

Einsam trabt er dahin, Paragraphenreiter in der Gesetzes Wüste. Bild: Wolfgang Pfensig/ PIXELIO



18 Mai 2012

Berufseinstiegsbegleitung zeigt wieder einmal Unzuverlässigkeit der CSU

Das Spielchen ist uns FREIEN WÄHLERN nun seit dreieinhalb Jahren bekannt. Erfolgreiche Projekte auf Bundesebene werden seitens der Bundesregierung aufgrund ihres Erfolges eingestellt bzw. reduziert und können nur fortgeführt werden, wenn eine Co-Finanzierung durch den Freistaat erfolgt. So geschehen bei der bedeutenden und wichtigen Berufseinstiegsbegleitung, die viele Schüler bei der Berufsfindung unterstützt, die nicht auf Anhieb eine Ausbildung bekommen haben.


Nachdem uns dies bekannt wurde, haben wir einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag im Bayerischen Landtag gestellt, der genau die Übernahme der Co-Finanzierung durch die Staatsregierung zum Ziel hatte. Zumal uns bekannt war, dass bereits Gespräche diesbezüglich  stattgefunden hatten und noch dazu die CSU auf Bundesebene, sprich im Bundestag, einer entsprechenden Fortführung des Programmes zugestimmt hat.


Doch einmal mehr wurde die Unzuverlässigkeit  der CSU deutlich: Im Bundestag hat sie dem Bundesgesetz zur Berufseinstiegsbegleitung zugestimmt. Aber statt konkrete Vorschläge zur Co-Finanzierung zu liefern, kommen nur Ausflüchte. Es ist wieder einmal typisch Bayerische CSU-Politik: in Berlin Gas geben aber dann in Bayern ausbremsen. So kann es nicht sein!


Mit Wirkung zum April 2012 wurde die Berufseinstiegsbegleitung durch das Gesetz „Zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ zwar flächendeckend eingeführt – jedoch nur zu 50 Prozent durch die Bundesagentur für Arbeit finanziert. Die andere Hälfte muss vom Freistaat übernommen werden, andernfalls kann die Berufseinstiegsbegleitung nicht fortgeführt werden. Somit hängt die Fortführung des Programms so lange am seidenen Faden, bis die restlichen 50% eine Finanzierungszusage durch die Bayerische Staatsregierung bekommen.


Die Folgen sind schließlich verheerend. Nicht nur, dass wir jetzt schon mit einem Fachkräftemangel konfrontiert sind, wir benötigen gut ausgebildete junge Menschen in allen Bereichen. Manche Jugendlichen brauchen nach ihrem Schulabschluss eine zweite Chance, und das bietet ihnen eine Berufseinstiegsbegleitung. Deshalb muss die Bayerische Staatsregierung endlich ihre Zusagen einhalten und die Co-Finanzierung der Berufseinstiegsbegleitung sicherstellen.




Foto: Gerd Altmann/ PIXELIO



15 Mai 2012

Länderübergreifende Abiturprüfungen

Viele Eltern können ein Lied davon singen: Mit schulpflichtigen Kindern innerhalb Deutschlands in ein anderes Bundesland zu ziehen, kommt einem Abenteuer gleich. Grund sind die unterschiedlichen Lehrpläne  in den einzelnen Bundesländern und häufig auch sehr unterschiedliche Anforderungen innerhalb einer Schulart.  Seit Jahren wird deshalb intensiv über die Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen und bundeseinheitliche Bildungsstandards diskutiert, denn letztendlich ist die Frage nach der Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen auch eine Frage der Bildungsgerechtigkeit.



Vor wenigen Wochen haben sich nun Sachsen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein auf die Einführung gemeinsamer Aufgabenteile in den ländereigenen Abiturprüfungen verständigt. Ab dem Schuljahr 2013/14 sollen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch gemeinsame Aufgabenteile  in den schriftlichen Abiturprüfungen gestellt werden, um so die Vergleichbarkeit der Abiturnoten zu verbessern.



Langfristiges Ziel ist es, ebenso wie bereits für den Hauptschulabschluss und den Mittleren Bildungsabschluss auch für das Abitur bundeseinheitliche Bildungsstandards zu definieren.


Bis dahin ist es aber  freilich noch ein weiter Weg. Durch die Einbindung von länderübergreifenden Aufgabenteilen im Abitur erhoffen sich die beteiligten Länder mehr Vergleichbarkeit, ohne sich aber auf gemeinsame Prüfungstermine einigen zu müssen. Ein gemeinsames, länderübergreifendes Zentralabitur wäre nämlich aufgrund der unterschiedlichen Ferienregelungen in den einzelnen Bundesländern kaum machbar.



Allzu viel darf man sich von der neuen Regelung freilich nicht erhoffen. Nach wie vor bleibt der überwiegende Teil der Prüfungsaufgaben in der Hoheit der Länder: Im Fach Deutsch wird eine der fünf gestellten Aufgaben von den Ländern gemeinsam erarbeitet. Jeder Schüler bearbeitet aber nur eine von ihm gewählte Aufgabe aus den fünf vorgegebenen. Im Fach Mathematik werden gemeinsame Aufgaben im Umfang von einem Sechstel der erreichbaren Bewertungseinheiten im bayerischen Abitur gemeinsam erarbeitet. Im Fach Englisch werden sich die Schüler einer gemeinsamen Aufgabe im Umfang von 60 Minuten stellen, wobei die Gesamtprüfungsdauer  im Fach Englisch derzeit ca. vier Stunden beträgt. Insgesamt machen die gemeinsamen länderübergreifenden Prüfungen also nur einen Bruchteil der Abiturnote aus, denn man muss dabei auch bedenken, dass diese sich ja nicht nur aus den in der Abiturprüfung erzielten Noten zusammensetzt, sondern auch aus den Jahresfortgangsnoten in den verschiedenen Fächern.



Der große Wurf ist damit noch längst nicht gelungen und man darf weiter gespannt sein, auf welchem Leistungsniveau sich ein länderübergreifendes Abitur letztendlich einpendelt – wenn es denn jemals kommt.





Um die Schulabschlüsse bundesweit einheitlicher zu machen werden auch in Mathe zum Teil länderübergreifende Prüfungsteile in der Abiturprüfung eingeführt. Foto: Claudia Hautumm/ PIXELIO



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