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13 Juli 2012

Koalition lässt Elternpetitionen aus Unterfranken eiskalt abblitzen

„The Games must go on“, sagte einst IOC-Präsident Avery Brundage 1972 im Münchner Olympiastadion wenige Tage nach dem Attentat auf die israelitischen Sportler, die Olympischen Spiele gingen tags darauf weiter. Ein bisschen Anleihe an diesem Brundage-Ausspruch können die Elterninitiativen aus Hausen (Landkreis Miltenberg) und Greußenheim (Landkreis Würzburg) nach dem Besuch der Bildungsausschuss-Sitzung im Bayerischen Landtag nehmen, nur muss es in diesen Fällen heißen, ‚the fight must go‘.


In der Tat ist es der Kampf um den Grundschul-Standort ihrer Kinder, die rund 40 Elternvertreter in aller Herrgottsfrüh um 6 Uhr in Unterfranken aufbrechen ließ, um mit ihrer Anwesenheit auch die Unzufriedenheit mit dem bayerischen Bildungssystem kund zu tun und im wahrsten Sinne des Wortes ihren Petitionen beizustehen? Mit diesen begehrten die Elterninitiativen aus Hausen und Greußenheim eigentlich nichts Anderes als die Beibehaltung der Grundschule in ihrem jeweiligen Ort. Umso größer war nach einer knappen Stunde Redeschlacht die Enttäuschung und das Entsetzen der weit angereisten Besucher als die CSU/FDP-Mehrheit dies mit der Bemerkung ,„keine Möglichkeit den Petenten zu helfen“, ablehnte.





Foto: "Stefan Franke" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc-nd) http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de



Sicher sind  Ihnen alle noch die großspurigen Versprechen von Kultusminister Spaenle ‚Erhalt aller selbständigen Grundschul-Standorte – kurze Beine, kurze Wege‘ im Ohr. Doch daran wollte sich in diesem Fall kein Abgeordneter aus den Mehrheitsreihen erinnern. Geradezu paradox, dass in Hausen in diesem Schuljahr einige wenige Schüler für die Erstklassbildung fehlen und Greußenheim mit 14 Erstklässlern gar eine Klasse bilden könnte. Doch da beide Orte in einem sogenannten Schulverband mit anderen Ortschaften sind, orientiert sich die Klassenbildung an der Gesamtschülerzahl eines Jahrgangs des Schulverbands. Und in diesen Fällen geraten dann aufgrund des Schülerrückganges durch die demografische Entwicklung und der schülerorientierten Lehrerzuweisung die „schwächeren“ Standorte sprichwörtlich unter die Räder, weil die Lehrerstunden nicht ausreichen.


Nicht umsonst fordern wir FREIEN WÄHLER schon seit längerem eine Änderung der Lehrerstundenzuweisung, was übrigens auch als Zielsetzung im CSU/FDP-Koalitionsvertrag ausgemacht war, nur leider halten sich die Koalitionäre nicht dran. Wir brauchen eine schul- oder klassenbezogene Lehrerstundenzuteilung, sodass es nicht zu derartigen Dysparitäten wie im Fall Hausen und Greußenheim kommen kann und die Grundschul-Standorte endlich Planungssicherheit haben.


Doch davon waren wir in dieser Bildungsausschuss-Sitzung weit entfernt, denn die CSU blockierte jegliche Vermittlungsversuche. Damit müssen die Hausener Erstklässler im nächsten Schuljahr nach dem Willen der Staatsregierung täglich nach Kleinwallstadt und die Greußenheimer nach Hettstadt fahren. Wieder einmal wurde Bürgerwille mit Füßen getreten, ‚the fight must go on‘, die Petenten kündigten bereits an eine neuerliche Petition einzubringen.


Die Argumentation der Staatsregierung, dass in einem Schulverband eine eigenverantwortliche Regelung der Betroffenen vor Ort nötig sei, ist mehr als hinterlistig, denn wenn man die notwendigen Rahmenbedingungen, sprich Personalzuweisung, seitens des Kultusministeriums schon so eng hält, dass ein Schnaufen kaum möglich und Alternativen nicht machbar sind, dann werden die Bürgerinnen und Bürger einfach für dumm verkauft.


Und noch Eines muss ich fragen: Für was ist eigentlich die Möglichkeit einer Eingabe da? Genau, um Unmögliches im Einzelfall möglich zu machen und nicht von vorneherein – wie dies die CSU/FDP tut – lösungsdesinteressiert zu argumentieren. Da kann ich nur sagen, eigentlich müssten allwöchentlich Busse mit Elternvertreter aus allen möglichen Richtungen gen München fahren, um zu sehen wie ihre großmächtigen Volksvertreter von CSU und FDP sprechen und entscheiden. Symptomatisch, was eine Elternvertreterin weinend beim Hinausgehen sagte: „Alles Verbrecher, die da drin sitzen!“




12 Juli 2012

Steuerzahler bleibt wohl mit 5 Milliarden am Landesbank-Debakel hängen

Jetzt, da in diesen Tagen die Kabinetts-Klausur der Staatsregierung mit dem Haushaltsentwurf 2013/14 Bayerns Träume wieder sprießen lassen und der Ministerpräsident und Finanzminister nicht umherkommen zu betonen, in welcher „Oase der Stabilität und Dynamik“ wir im Freistaat leben, möchte ich nochmal an ein eher dunkles Kapitel bayerischer Politik erinnern: das Bayern LB-Desaster. Seehofer und Söder prahlen erneut damit, dass sie wieder eine Milliarde Euro Schulden tilgen. Das ist auch bitter nötig, denn dafür hat die damals allmächtige CSU 2008 auch 10 Milliarden Euro Schulden verursacht und damit für die dynamischste Schuldenerhöhung Bayerns gesorgt! Insofern muss das immer wieder bei aller vermeintlichen Stabilität und Dynamik betont werden, Seehofer steht auch für die größte Schuldendynamik, nur verschweigt er das.


Die Bayern LB waren für den Freistaat und die bayerischen Sparkassen der teuerste Lernprozess. Denn nach der Einigung im Rahmen des EU-Beihilfeverfahrens ist schon jetzt absehbar, dass der Wert der Bayerischen Landesbank am Ende weit hinter dem Wert zurück bleibt, den sie vor den desaströsen Fehlgriffen hatte. Denn wenn die BayernLB die Hälfte der zehn Milliarden Euro Kapitalspritze an den Freistaat zurückzahlen muss, bleiben immer noch fünf Milliarden Euro Steuergelder übrig, die aus den Erträgen der Bank weder kurz- noch mittelfristig zurückgeführt werden können. Es wird schwer genug, die von der EU geforderten fünf Milliarden Euro Rückzahlung zu bewerkstelligen. Hierzu wird die Bank gezwungen sein, sich erheblich zu verkleinern und sich von rentablen Unternehmensteilen zu trennen.





Ein Lernprozess, der mit viel Geld bezahlt werden muss. Foto: Eva-Maria Roßmann/PIXELIO;pixelio.de



Deshalb ist es nicht mehr als recht und billig, die Vereinbarung eines verbindlichen Rückzahlungsplans für diese fünf Milliarden Euro zwischen Freistaat und Landesbank zu fordern. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, wie und wann ihr „verblödeltes“ Geld wieder zurückkommt. Dabei muss der Bank allerdings ein großzügiger Zeitraum eingeräumt werden, damit sie bei möglichen Turbulenzen nicht erneut auf Staatshilfen angewiesen ist.


Einen durchaus positiven Aspekt hat die Europäische Union der Bayern LB ins Stammbuch geschrieben, die Abkehr von riskanten Geschäften. Schön wäre nur gewesen, wenn der ehemalige Vorstand und der Verwaltungsrat – mit den maßgeblichen Politgrößen der Stoiber-Ära besetzt – selbst darauf gekommen wäre. Denn nicht erst aus heutiger Sicht waren etwa der Kauf der Hypo Alpe Adria und der ungarischen MKB-Bank unverzeihliche Fehler, welche die Bayerische Landesbank an den Rande des Ruins gebracht haben. Es ist traurig, dass diese Erkenntnis erst der Nachhilfe des Parlaments, des Landesbank-Untersuchungsausschusses und der EU bedurfte.



6 Juli 2012

Durchpeitschen ist nicht mehr – BayKiBiG-Novellierung gestoppt

Manchmal gibt es sie noch, die kleinen Wunder! Es ist jetzt vielleicht ein bisschen überspitzt formuliert, aber dass sich die Regierungskoalition gestern im Sozialausschuss in die Knie hat zwingen lassen und den Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetzes (BayKiBiG) erst einmal gestoppt wurde, grenzt schon an ein Wunder. Es zeigt gleichzeitig, wie berechtigt die scharfe Kritik der Opposition an diesen ungenügenden Änderungen scheinbar ist.



Mit scharfer Nadel gestrickt, sollte der Gesetzentwurf noch in den nächsten beiden Wochen durchs Parlament vor der Sommerpause durchgepeitscht werden. Nicht nur, dass die Regierung die Novellierung seit gut einem Jahren auf den Tisch bringen wollte. Jetzt war man plötzlich so in Eile, dass uns Parlamentariern nicht einmal mehr ausreichend Zeit eingeräumt wurde für eine eingehende Beurteilung und uns damit natürlich auch die Gelegenheit genommen wurde, den Gesetzentwurf Punkt für Punkt mit den eingebunden Verbänden zu besprechen. Ganz zu schweigen von den zahlreichen inhaltlichen Mängel im Gesetzentwurf, die die Verbesserungsvorschläge der Oppositionsparteien und betroffenen Verbände kaum berücksichtigten.





„Durchpeitschen um jeden Preis“ war das alte Motto. Jetzt bedarf es eines neuen. "Felix Clasbrummel" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de


In dieses Schema „Durchpeitschen um jeden Preis“ passte dann auch, dass das Sozialministerium wenige Minuten vor Beginn der entscheidenden Sitzung des Sozialausschusses sogar noch neue Anträge vorgelegt hat. Ist das nicht eine Farce? Verbesserungsanträge für das eigene Gesetz!


Wir FREIEN WÄHLER finden, dass ein so bedeutendes Gesetz wie das BayKiBiG den Raum bekommen sollte, den es verdient. Vor allem: es gibt viel am neuen BayKiBiG auszusetzen und zu verbessern. Deshalb freut es mich ganz besonders, dass die Novellierung im Sozialausschuss dank dem Antrag der Grünen auf Anhörung und den Stimmen von den FREIEN WÄHLERN und SPD noch einmal Zeit gewonnen hat.




5 Juli 2012

Aufschrei gegen den Schnellschuss BayKiBiG

Im ICE-Tempo will die Staatsregierung nun partout die Novellierung des Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz (BayKiBiG) noch vor der Sommerpause durchboxen, obwohl es vor inhaltlichen Mängeln nur so strotzt und den Namen Novellierung eigentlich gar nicht verdient. Als ich dieser Tage beim Parlamentarischen Abend mit dem Vorstand des Bayerischen Städtetages die Sichtweise der FREIEN WÄHLER zum BayKiBiG und unsere Verbesserungsvorschläge, die wir jetzt als Änderungsanträge eingegeben haben, vorstellte, erhielten wir dessen volle Zustimmung.


Das neue BayKiBiG ist für die Kommunen ein Tropfen auf den heißen Stein und fast der Rede nicht wert. Zu wenig sind die Verbesserungsvorschläge der Oppositionsparteien und der betroffenen Verbände berücksichtigt worden und überdies hatten diese keine Gelegenheit zur Diskussion erhalten. Das haben alle Oppositionsparteien in dieser Woche in einer gemeinsamen Pressekonferenz nochmal mit der klaren Aussage kritisiert: übereiltes Verfahren beim BayKiBiG und nahezu alle Einwände einfach übergangen.


In gerade mal einem Monat soll das Gesetz im sogenannten beschleunigten Verfahren durchgepeitscht werden. Dabei gibt es viel an dem neuen BayKiBiG auszusetzen. Unter anderem ist das Gesetz nicht genügend inklusionskompatibel, fördert also nicht ausreichend die gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung. Außerdem sind Einwände von Trägern und Verbänden nicht berücksichtigt worden. Die bemängeln, dass noch immer zu viele Kinder auf einen Erzieher kämen. Auch wird nicht bedacht, dass Mädchen und Buben unter drei Jahren mehr Förderung benötigen und auch deutlich mehr Personalaufwand erzeugen.


Selbst die „amputierte“ Version der geplanten Beitragsfreiheit ab dem letzten Kindergartenjahr ist meiner Meinung nach zu hinterfragen, denn die verschlingt von den 185 Millionen Euro, die pro Jahr zusätzlich investiert werden, 132 Millionen – der Rest entfällt auf die Qualitätsverbesserung. Das ist in meinen Augen zu wenig: Qualität geht vor Beitragsfreiheit!





Pressekonferenz im Landtag zum BayKiBiG v.l.: Renate Ackermann (Grüne), Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD), Tanja Schweiger (FREIE WÄHLER), Dirk Oberjasper (Pressesprecher FW)


Deshalb fordern wir FREIEN WÄHLER mit fünf Änderungsanträgen nochmals Nachbesserung: So wollen wir eine Erhöhung des Faktors für Kinder unter drei Jahren auf den Faktor 3.0. Ebenso plädieren wir für die Einführung eines Gewichtungsfaktors für sogenannte Risikokinder und die Einführung einer staatlichen Sockelfinanzierung. Nach unserer Meinung und nachdem was ich auch auf meiner BayKiBiG-Veranstaltung in Lohr-Steinbach von den Betroffenen erfahren habe, werden die Modalitäten der kindbezogenen Förderung des BayKiBiG den realen Anforderung in den Einrichtungen nur zum Teil gerecht. Der Verwaltungsaufwand in den Einrichtungen, Personalausfall durch Urlaub, Krankheit, Fort- und Weiterbildung, Randzeitenbetreuung u.v.m. wird in der Erzieherinnen-Kind-Relation nicht angemessen berücksichtigt. Eine grundlegende staatliche Sockelfinanzierung, unabhängig von der kindbezogenen Förderung, trägt diesen Umständen Rechnung und erleichtert die Planungssicherheit in den Einrichtungen.



Des Weiteren fordern wir einen Gewichtungsfaktor für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache und keine Beschränkung auf bestehende Einrichtungen, sodass die Anrechnung der Zeiten in schulischen Einrichtungen auch für künftige Einrichtungen gilt. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf bestehende Einrichtungen, die bereits zwei Jahre ohne Inanspruchnahme der Flexibilisierungsmöglichkeit gefördert wurden ist unseres Erachtens nicht nachvollziehbar und kontraproduktiv. Eine Zusammenrechnung der Zeiten in Kindertageseinrichtungen oder Tagespflege mit Zeiten in schulischen Einrichtungen, wie es Art. 2 Abs. 5 Satz 1 des BayKiBiG vorsieht, muss auch für künftige Einrichtungen gelten.



Wieder einmal typisch ist die Reaktion der Staatsregierung. Auf den Einwand hin, dass die Verbände-Meinung zu wenig berücksichtigt worden sei, entgegnet Sozialministerin Haderthauer, dass in allen Eckpunkten dazu ein Dialog stattgefunden habe. Ich weiß in diesem Zusammenhang auf die Formulierung „Eckpunkte“ hin. Das Ausschmücken der Ecken fand dann ohne Zutun der Betroffenen statt. Da fällt mir doch nur ein passender Vergleich ein. Wie schön, wenn die Staatsregierung den Rohbau mit den Betroffenen abstimmt und die komplette Einrichtung dann nach ihrem Gusto vornimmt. Würden Sie sich in einem solchen Haus wohlfühlen?



4 Juli 2012

Geduld als gute Tugend in der Bildungspolitik




Manchmal fühlt man sich als Bildungspolitiker wie auf einem Basar. Kaum ist im Schulbereich irgendein Thema neu beschlossen worden, schon wird über Änderungen in der Öffentlichkeit diskutiert. Ich kann mich noch sehr gut an das Gesetzt zur Inklusion, das wir im vergangenen Jahr mit der interfraktionellen Arbeitsgruppe in monatelangem Diskurs geschneidert haben, erinnern. Kaum war es mit Beginn diesen Schuljahres in Gang gesetzt, folgen seitdem nahezu wöchentlich, manchmal täglich Mails und Stimmen, die alles ganz anders haben wollen.

Von einer solchen Vielfalt an Meinungen lebt die Demokratie, das ist auch gut so! Doch gibt es heute eigentlich für neu beschlossene Themen, egal ob die Inklusion oder die verschiedenen Schulreformen vom R6 über das G8 bis zu den Mittelschulverbünden überhaupt noch eine Schon- oder Bewährungszeit für diese Beschlüsse? Ich glaube, dass wir alle als Gesellschaft gut daran täten auch einmal Dinge reifen zu lassen. Dazu fällt mir spontan die Inklusion an den Schulen ein. Wie viele Diskussionen habe ich dazu in den vergangenen Wochen geführt und Dutzende von Verbesserungsvorschlägen von allen Seiten gehört. An allen Themen, angefangen vom Schulbegleiter, mehr Personal, besser Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, unabhängige Beratung und vielen anderen Themen sind wir Politiker dran und überlegen, wie sie implementiert oder umgesetzt werden können. Aber, das kostet Zeit und geht nicht von heute auf morgen. Etwa ein Jahr Vorlaufzeit müssen bei einer Gesetzesänderung in Kauf genommen werden, ehe alle Institutionen und Verbände etc. „durchlaufen“ sind. Also Geduld ist gefragt!





Was bleiben sollte ist, im Intersse der Schüler zu handeln. "Mariesol Fumy" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de


Auch die ewige Diskussion um Veränderungen am Gymnasium G8 ist ein Beispiel dafür. Jetzt haben sich Schüler, Eltern und Lehrer nach acht Jahren endlich daran gewöhnt, schreien wiederum auch Eltern- und Lehrerverbände nach Änderungen: Vom Zurück zum G9 über die Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 an ein und derselben Schule bis hin zum Entrümpeln der Lehrpläne ist so ziemlich alles auf dem Markt was für Schlagzeilen in der Öffentlichkeit sorgt. Und für jene Schlagzeile und der Sorge um Machtverlust opfern gerade auch Politiker gerne alles. So hat sich doch auch Ministerpräsident Seehofer dieser Tage geäußert, dass er sich eine Rückkehr zum G9 vorstellen könne, um am nächsten Tag dies gleich wieder zu revidieren. Hat denn der Gedächtnisschwund oder meint er, er könnte die Wählerinnen und Wähler für dumm verkaufen? So etwas finde ich verantwortungslos!


Gleichwohl mich die G8/G9-Diskussion auch nicht loslässt. Ich möchte dazu mal zwei Ansichten beispielhaft darlegen. Wenn ich mit Gymnasiallehrern spreche, so sind die der klaren Meinung, es beim G8 zu belassen und die Rahmenbedingungen, sprich Lehrpläne verbessern. Wenn ich mit Eltern spreche, so vernehme ich schon größtenteils Unzufriedenheit vornehmlich über Unterrichtsausfall und den gefühlten Leistungsdruck. Beide Meinungen suggerieren sehr wohl Handlungsbedarf. Da sehe ich zum einen Korrekturen an den Lerninhalten, sprich eine Verstärkung der Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch als dringend notwendig an und zum anderen mehr Personal, beispielsweise in Form einer integrierten Lehrerreserve auf die jedes Gymnasium im Bedarfsfall zurückgreifen könnte. Damit wäre mit relativ bescheidenen Veränderungen große Wirkung erzielt und die Diskussionen würden verstummen. Da ist nun die Staatsregierung gefragt und muss weitere Finanzmittel in die Hand nehmen, um diesen Missständen endlich Abhilfe zu schaffen. Im Übrigen eine „ewig junge“ Forderung der FREIEN WÄHLER.


Aber einem Gedanken in der G8/G9-Diskussion kann ich wirklich etwas abgewinnen. Diesen hat dieser Tage der hessische Ministerpräsident Bouffier ins Gespräch gebracht. Denn im Nachbar-Bundesland können Eltern künftig wählen zwischen G8- und G9-Gymnasien. Sprich die Schulgremien bzw. Schulfamilie eines Gymnasiums können entscheiden, ob sie die achtjährige oder die neunjährige Version bevorzugen. Das würde meines Erachtens in vielen ländlichen Bereichen durchaus für das eine oder andere Gymnasium eine Option darstellen, um sich gegenüber anderen G8-Gymnasien abzuheben. Gleichwohl muss man wiederum eines zu bedenken geben, denn eigentlich haben wir in Bayern die neunjährige Form nach wie vor. Zwar nicht am Gymnasium, aber an der FOS/BOS besteht seit einigen Jahren die Möglichkeit in neun Jahren zum Abitur zu kommen. Daran sieht man, wie überflüssig manche Diskussion ist, wenn man nur manchmal ein bisschen mehr Nachdenken würde und alle vorhandenen Möglichkeiten ausnutzen würde. Da wäre manchmal weniger Wind in der bayerischen Bildungspolitik.



3 Juli 2012

Invest in Bavaria bald auch in Franken aktiv?

Das gefühlte Nord-Süd-Gefälle im Freistaat zwischen dem Süden Bayerns und den fränkischen Regionen wird mit nichts deutlicher dokumentiert als mit der Tätigkeit von "Invest in Bavaria". Diese dem Wirtschaftsunternehmen unterstellte Ansiedlungsagentur, die potentielle Unternehmen und Betriebe für den Freistaat gewinnen und diesen eine Investition in Bayern schmackhaft machen soll, unterliegt tatsächlich dem krassen Missverhältnis in den vergangenen fünf Jahren 234 Projekte in Oberbayern und ganze 64 in den übrigen Bezirken vermittelt zu haben.



Also, da haben wir sie wieder, die objektive Bevorzugung Südbayerns, so könnte man meinen! Freilich muss man der Ansiedlungsagentur zugutehalten, einen Investor zu überzeugen, dass er in Bayern ansässig werden soll, ist nicht nur davon abhängig ist, ob er im Großraum München den ohnehin schon verdichteten Raum noch dichter macht oder eine der anderen Regionen Bayern auswählt, sondern auch ganz wesentlich von den dort vorzufindenden Infrastrukturvoraussetzungen, die neben Verkehrsanbindung, Bildungsmöglichkeiten auch die Clusterbildung oder Familienfreundlichkeit ganz entscheidend mit beeinflusst.






Herrscht im Freistaat eine Bevorzugung Südbayerns? Jürgen Grüneisl/PIXELIO;pixelio.de


Dass nun "Invest in Bavaria" dieser Tage zu einer Visitation in den Landkreis Kitzingen eingeladen hatte, um dort die Region und die oben angeführten Voraussetzungen näher unter die Lupe zu nehmen, sehe ich als ein sehr positives Zeichen an, dass auch diese Region künftig im Visier von "Invest in Bavaria" ist.



Warum auch nicht? Denn der Weinlandkreis bietet neben seiner exklusiven KulturLandschaft und Lebensvielfalt auch beste Voraussetzungen für potentielle Investoren. Etwa im Bereich der Automobilzulieferer stellen sich beste Voraussetzungen für Clusterbildung dar, ein umfassendes und weitverzweigtes Bildungsnetz, eine für seine Familienfreundlichkeit ausgezeichneter Landkreis und damit beste Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind ebenso Pfunde mit denen sich wuchern lässt wie die hervorragende Verkehrsinfrastruktur mit dem Anschluss an das überregionale Strassen- und Schienennetz.


Hoffen wir also darauf, dass aus Invest in Bavaria im wahrsten Sinne des Wortes auch ein Invest in Mainfranken wird. Aber darauf hat die Landespolitik schon vor geraumer Zeit hingewiesen. vielleicht war es der entscheidende Fingerzeig, dass nunmehr außer dem Großraum München auch andere Regionen begutachtet werden.



29 Juni 2012

Fehlende Lehrerstunden und schülerbezogene Budgetierung sind das Grundübel

Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu und wieder steht der alljährliche Kampf um Lehrerstundenzuweisungen und Standortschließungen an. Gleich drei Standorte in Unterfranken sind in Gefahr und stehen zumindest vor dem Teil-Aus: Die Grundschulen Eisenbach und Hausen (beide im Landkreis Miltenberg) sowie die Grundschule Greußenheim.


Grundproblem bei allen Standort-Diskussionen sind zurückgehende Schülerzahlen und damit die Schwierigkeit mit dem seitens der Staatsregierung zur Verfügung gestellten Stundenbudget an die Schulämter genügend kleine Klassen bilden zu können. Dies resultiert wiederum aus der Tatsache, dass die Staatsregierung schülerbezogen die Lehrerbudgets verteilt und damit bei zurückgehenden Schülerzahlen jedem einzelnen Standort zu wenig Stunden zufallen. Beispielsweise fehlen im Schulamtsbezirk Bayerischer Untermain rund 400 Stunden um genügend kleine Klassen bilden zu können und damit auch alle Standorte zu erhalten.


Auch am Standort Greußenheim fehlen derzeit 30 Stunden um im kommenden Jahr erneut eine erste Klasse unterrichten zu können. Nach den derzeitigen Planungen müssen die Greußenheimer Erstklässer, die im Schulverband mit Hettstadt und Waldbüttelbrunn sind, im kommenden Schuljahr in einem der beiden Nachbarorte zur Schule gehen. Eigentlich nicht nachvollziehbar, denn es gäbe in Greußenheim genügend Erstklassschüler, 14 an der Zahl, die für eine eigenständige Klasse in Betracht kämen, aber in den beiden anderen Standorten sind zu wenige Erstklass-Schüler vorhanden, um jeweils eigenständige Klassen bilden zu können.





Oder beginnt diese im nächsten Schuljahr in Greußenheim erst gar nicht? Foto: Dieter Schütz/PIXELIO; pixelio.de



Somit werden durch die „Konstruktion Schulverband“ die Greußenheimer Schüler plötzlich zur Jongliermasse und müssen ggf. im kommenden Jahr mit dem Schulbus zur Schule fahren. Eine für mich nicht nachvollziehbare und nicht zu tolerierende Situation. Deshalb habe ich dieser Tage auch noch einmal ein Schreiben an Kultusminister Spaenle gerichtet mit der Aufforderung seinen Worten Taten folgen zu lassen. Denn stets verspricht Spaenle Grundschul-Standorte mit bis zu 26 Schülern aufrecht zu erhalten, aber genau das Gegenteil passiert nunmehr sukzessive an allen drei Standorten. Denn ist erst einmal ein Jahrgang nicht mehr an einem Schul-Standort vorhanden folgt schnell der nächste Jahrgang und in wenigen Jahren das Total-Aus!


Die FREIEN WÄHLER sehen nach wie vor in der Sicherung aller Grundschul-Standorte in Bayern unabhängig von der Schülerzahl eine der wichtigsten schulpolitischen Forderungen. Denn ein Schüler, der am vertrauten Heimatort beschult werden kann, hat meines Erachtens eine ganz andere Identifikation mit seiner „Heimat“ und einen ganz anderen Heimatbezug als wenn er von frühester Kindheit an in den Nachbarort fahren muss. Das Vereinsleben leidet erfahrungsgemäß genauso darunter wie das Zeitbudget der Schüler. Deshalb wird es eine große Aufgabe die Grundschul-Standorte zu erhalten. Auch halte ich eine veränderte Budgetierung in diesem Zusammenhang für enorm wichtig. Jede Schule bräuchte unabhängig von der Schülerzahl ein klassenbezogenes Basis-Budget, sodass alle Klassen bestehen bleiben können. Hochgerechnet benötigt man dafür in Bayern rund 1500 Lehrkräfte. Auch wenn das viel klingt, das Geld dafür muss es uns wert sein.



21 Juni 2012

Befreiungsschlag für die Startbahngegner bietet neue Entwicklungsmöglichkeiten für die Regionen Bayerns

Nein, wirklich daran geglaubt habe ich nicht! David gegen Goliath, wer glaubt da schon an den Sieg? Doch die Münchner Bevölkerung hat mich echt überrascht beim Bürgerbegehren zur Abstimmung über den Bau der dritten Startbahn am Flughafen München im Erdinger Moos. 55 Prozent haben sich dem Begehren von GRÜNEN und FREIEN WÄHLERN angeschlossen und haben NEIN gesagt, einfach STOPP, wir wollen KEINE dritte Startbahn!



Ich finde es deshalb so spektakulär, weil die Brisanz der Abstimmung in der Tatsache lag, dass die Münchner über etwas entscheiden mussten, was sie nur marginal tangiert, den rund 40 Kilometer von der Landeshauptstadt entfernten Flughafen im Erdinger Moos. Das ist in etwa so, wie wenn die Würzburger abstimmen müssten, ob im Steigerwald ein Nationalpark entstehen soll oder im Sindersbachtal bei meinem Heimatort Langenprozelten ein weiteres Pumpspeicherwerk.



Aber der Bürger hat entschieden und so sollte man dieses Votum auch akzeptieren! Schließlich betonen gerade wir Politiker immer wieder den Bürgerwillen. Und da finde ich es höchst undemokratisch und skandalös, wenn sich einen Tag nach dem Entscheid gerade unser Ministerpräsident Seehofer hinstellt und sagt, dass er trotz verlorenem Bürgerentscheid an dem Projekt festhalten wolle. Ist so etwas nicht dreist? Ich muss mich echt wundern, dass in diesem Fall dem Ministerpräsident nicht mehr Gegenwind ins Gesicht bläst. Kann sich Seehofer denn alles erlauben?






Mit 55 Prozent wurde der Bau der dritten Startbahn in München gestoppt! Foto: Niko Korte/PIXELIO; pixelio.de


Diese Frage muss an dieser Stelle auch mal erlaubt sein, denn immer dann, wenn etwas nicht nach seinem Gusto läuft, droht er. Einmal mit Koalitionsbruch – wie der FDP wegen der Blockierung des Betreuungsgeldes – und das andere Mal der Münchner Bevölkerung. Und so etwas soll als Politiker Vorbild sein! Kein Wunder, wenn sich die Menschen mit Grauen von der Politik abwenden und behaupten, dass dort nur geschoben und der eigene Vorteil gesucht wird.



Da bleibt mir als Abgeordneter auch manchmal die Frage, wie weit muss ein Seehofer schon von den Menschen weg sein, um solche Aussagen zu machen? Oder aber, wie viel Angst muss dieser Mann und seine Partei um die Machtposition haben? Scheinbar eine Menge, denn sonst könnten keine solchen Drohgebärden vonihm kommen.



Bekanntlich steht ihm Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Zeil in dieser Frage bei. Ausbau der dritten Startbahn unter allen Umständen, so Zeil. Notfalls solle die Stadt München ihre Gesellschafteranteile am Flughafen verkaufen. Zeil wiederum hat ein berechtigtes Interesse, dass im Münchner Norden gebaut wird, denn in seinem Heimat-Stimmkreis wurden zu Beginn seiner Amtszeit die Pläne den dortigen Flughafen Oberpfaffenhofen als Ausweich- und  Verstärker-Airport zum Münchner Flughafen auszubauen und zu etablieren in einer Nacht- und Nebelaktion in die Tonne gesteckt. Da haben die Menschen, die sich mit Grauen von der Politik abwenden und behaupten, dass dort nur geschoben und der eigene Vorteil gesucht wird, wieder einmal Wasser auf ihre Mühlen bekommen.



Wir FREIE WÄHLER sehen uns durch den unerwarteten Sieg im Bürgerentscheid bestärkt in der Forderung mehr direkte Demokratie durch mehr Beteiligung des Volkes anzustreben. Und trotz allen Schwarzmalens der Unterlegenen für den Wirtschafts-Standort Bayern sehen wir neue Entwicklungsmöglichkeiten wie etwa Verlagerung von Flugbewegungen auf den nicht ausgelasteten Nürnberger Airport. Denn der Weg vom Münchner Flughafen selbst für Anschlussflieger dauert nicht länger als die Fahrt vom Landeshauptstadt-Airport bis zum Hauptbahnhof in München. Auch der Flughafen Memmingen könnte als weiterer „Verlagerungs“-Airport in Frage kommen. Ganz im Sinne unserer FREIEN WÄHLER-Devise Verlagerung der Kompetenzen und Strukturen in die Regionen zur Stärkung der Regionen im ganzen Freistaat.




21 Juni 2012

Bürokratiemonster Landwirtschaft

Die Tage, dass ein Landwirt morgens aufsteht, die Tiere füttert, die Kühe melkt und anschließend sich aufs Feld begibt sind vorbei. Davon habe ich mich beim Kreisbauerntag überzeugen lassen. Statt dessen muss der Landwirt schon vor dem Füttern überlegen, ob er EU-konformes Futter verfüttert, muss darüber und über die Menge genau Buch führen und dies jederzeit akribisch genau belegen können. Wird da nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen? Oder informieren Sie sich etwa vor jedem Essen, wie viel Kalorien die Lebensmittel haben, welche Farbstoffe darin enthalten sind und ob diese Lebensmittel überhaupt gesund sind und führen Buch über ihre Nachrungsaufnahme?



Die Klagen der Landwirte über zunehmenden Bürokratismus höre ich seit Jahren. Doch nunmehr stellten die Main-Spessart-Landwirte mit einem Rollenspiel beim Kreisbauerntag einmal den Werdegang, den die Bürokratie in der Landwirtschaft genommen hat und wie dramatisch sie auf den Betrieben lastet, den Besuchern plastisch vor Augen. Ich war und bin erschüttert. Mittlerweile 20000 (!) EU-Verordnungen existieren für die Landwirte. Da frage ich mich als Laie, wer denkt sich so einen Schwachsinn aus?



In einer Zeitreise von der Vergangenheit bis zur Gegenwart zeigte die Kreisvorstandschaft des Bauernverbandes die Problematik der zunehmenden Bürokratie in bemerkenswerter Weise auf.


1970


„Stolz waren die Landwirte von 1970. Die Ämter für Landwirtschaft standen für zahlreiche Beratungen zur Verfügung. Hauptziel war es, die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte zu steigern. Viele Personen aus der Familie und vom Dorf waren bei der landwirtschaftlichen Arbeit mit eingebunden. Die Bürokratie beschränkte sich auf wenige Zettel, die dazu dienten, den Zuschuss für Betriebserweiterungen zu rechtfertigen. Mit der Ackerbauschule wurde die Grundlage des landwirtschaftlichen Wissens gelegt“.


1980


„1980 begann die landwirtschaftliche Überproduktion zu einem echten Problem zu werden. Die staatliche Steuerung von Preisen und Zuschüssen verursachte den meist als landwirtschaftlichen Gehilfen ausgebildeten Landwirten einen zunehmenden Papierkram, der von vielen noch im vorübergehen erledigt wurde. Schon damals zeigte sich, dass die Büroarbeit einen deutlichen Einfluss auf den Betriebserfolg entwickelte“.






Versinkt die Landwirtschaft zunehmend in Bürokratie?



1990


„Um 1990 ließen sich viele Landwirte schon als Meister ausbilden. Gerade in den folgenden Jahren stellten Agrarreformen die bisherigen landwirtschaftlichen Ziele auf den Kopf. Der Antragsaufwand mit dem Vierfachantrag nahm deutlich zu und war verbunden mit Kontrollen. Der Grundstock weiterer Bürokratiezuwächse war gelegt“.


2000


„Einzelne Lebensmittelskandale nahmen wählernahe Politiker zum Anlass, vor einer genauen Ursachenforschung neue Gesetze zu schmieden, die zusätzliche Kontrollen und Auflagen mit sich brachten. Die hervorragend ausgebildeten Landwirte, die stets korrekt arbeiteten, wurden mit weiterer Bürokratie beladen. Kontrollen und zusätzliche Auflagen – vor allem in der Landwirtschaft – sollten dem Verbraucher Sicherheit vermitteln“.


2010


„In der heutigen Zeit wird bei der Ausbildung der Junglandwirte den Bereichen Ökologie und Naturschutz einen besonders hohen Stellenwert eingeräumt. Die Zusammenhänge von sämtlichen landwirtschaftlichen Maßnahmen und deren Wirkung in der Natur sind bestens bekannt. Der Landwirt genießt ein hohes Ansehen! Vielfach wird den Landwirten mehr Vertrauen geschenkt wie einzelnen Markenprogrammen oder Auflagen. Mit Imagekampagnen reagiert der Bauernverband auf diese Trendwende. Nicht Bürokratie schafft Vertrauen, sondern das Wissen um die aufrichtige fleißige und nachhaltige Arbeit unserer Landwirte. Dennoch werden in einer Broschüre namens „Cross-Compliance“ auf 118 Seiten 2.680 Standards und 590 Anforderungen bis ins Detail geregelt“.


Nach einer Studie des Deutschen Bauernverbandes verbrauchen alle Landwirte ¼ ihrer Arbeitszeit für Aufzeichnungs- und Berichtspflichten einschließlich Büroarbeit. Das verursacht ein Kostenaufwand von 0,8 – 1 Mrd. € jährlich. Ich frage mich, wo bleibt da eigentlich der Spaß am Beruf? Trefflich traf ein mit 2 Ziegelsteine um den Hals und mehreren Büroordnern beladener gut ausgebildeter moderner Landwirt das derzeitige Bild eines Landwirtes. Der eine Ziegelsteinsteht für eine Cross-Compliance-Sanktion, der andere für eine Sanktion aus dem Fachrecht. Eigentlich ist nach dem Deutschen Grundgesetz eine Doppelbestrafung nicht möglich. Nur in der Landwirtschaft scheint es – so will es die EU - Ausnahmen zu geben.


Kein Wunder, dass die Landwirte nur eines wollen: „Wir fordern sichtbare Erleichterungen ein!“ sagte Elmar Konrad, Kreisgeschäftsführer des Bauernverbandes. Und da stimme ich ihm – kopfschüttelnd und bestürzt über diesen Bürokratie-Wahn vorbehaltlos zu!


Jetzt kann ich endlich auch meine drei Landwirtschaftskollegin und –kollegen in der Fraktion verstehen. Da heißt es bei solch einem Vorschriften-Wahn wirklich den Bauern den Rücken zu stärken, um Qualität und Wertschöpfung in der Region zu halten. Schließlich stellen eine gute Infrastruktur sowie eine gute Land- und Forstwirtschaft die Grundvoraussetzungen für einen lebensfähigen und lebenswerten ländlichen Raum dar. Landwirtschaft stellt nicht nur die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln sicher, sondern erfüllt vielmehr unersetzbare wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene Funktionen.


Deshalb ist es auch von uns FREIEN WÄHLERN das klare Ziel eine flächendeckende und bäuerlich strukturierte Landwirtschaft zu erhalten und zu stärken. Und in einem sollten wir Verbraucher uns im Klaren sein, hochwertige Lebensmittelprodukte erfordern auch einen fairen Preis. Deshalb müssen für die Landwirte Planungssicherheit geschaffen und Perspektiven für die bäuerliche Landwirtschaft in ihren vielfältigen Strukturen erarbeitet werden. Und um die Wertschöpfung in der Region zu halten und zu verbessern ist der Absatz heimischer Qualitätsprodukte zu fördern. Auch daran sollten wir Verbraucher uns immer mal wieder erinnern.



15 Juni 2012

Mehr Ehrlichkeit in der Inklusions-Debatte – Vielfalt ist bereichernd

Endlich traut sich auch einmal ein Bildungsforscher in der Inklusions-Debatte Klartext zu reden. "Ich glaube nicht, dass der inklusive Weg immer der richtige ist", sagte Prof. Dr. Bernd Ahrbeck vom Institut für Rehabilitationswissenschaft der Humboldt Universität zu Berlin kürzlich und da stimme ich ihm aus voller Überzeugung zu: Inklusion JA, aber nur dort, wo es Sinn macht! Schon mehrfach habe ich an dieser Stelle davon gesprochen, dass die Inklusion Grenzen hat, das kann ich aus eigener Erfahrung aus meiner langjährigen Berufspraxis an der Dr. Karl-Kroiß-Schule für Hörgeschädigte berichten.


Und als unsere Fraktion dieser Tage mit den Vertretern des Bayerischen Gemeindetages zu einem Parlamentarischen Abend zusammen kamen und dessen Präsident Dr. Uwe Brandl „ein Stück mehr Ehrlichkeit in der Bildungs-Diskussion“ forderte, habe ich ihm spontan recht gegeben. Über viele Jahrzehnte  haben wir ein hochspezialisiertes Förderschulangebot in Bayern aufgebaut, das hinsichtlich seiner Förderung für jedes förderbedürftige Kind ein Segen ist. Und wer dies wirklich objektiv betrachtet, der stimmt mir in dieser Bewertung zu.


Zweifelsfrei ist der Zugewinn durch die Inklusion, den Eltern das Wahlrecht für den Schulbesuch ihres Kindes zu übertragen, ein längst überfälligeAlternative, aber nicht grundsätzlich die allein glücklich machende. Eltern werten selten objektiv, sondern viel mehr emotional. Insofern habe ich es zu meiner „Lehrerzeit“ sehr oft erlebt, dass Eltern zunächst einmal den Förderschulbesuch ihres Kindes kritisch beäugten, aber nach einer gewissen Zeit merkten, dass die besondere Förderung an dieser Schulart ihrem Kind gut bekommt.


Deswegen bin ich mir sicher, dass wir auch in Zukunft bei aller Sympathie für den Inklusionsgedanken die Förderschulen brauchen. Es kann gut sein, dass wir weniger brauchen als wir derzeit haben. Die Inklusionsquote, die derzeit bei rund 10 Prozent liegt, wird hier den Weg weisen. Aber nicht immer und für jedes Kind ist die inklusive Schule der ideale Ort. Der ist vielmehr da, wo die optimale Förderung für das Kind vorhanden ist und bei den derzeit begrenzten Ressourcen, die die Staatsregierung bereit ist gerade für die Einzelinklusion an der Regelschule zur Verfügung zu stellen, ist dieWahlmöglichkeit gut zu hinterfragen. Eine Klasse mit 25 Kindern und 3 bis 5 Inklusionskindern ist keine wirkliche Alternative. Hier fordern wir von der Staatsregierung zumindest eine Klassenobergrenze von 20 Kindern bei bis zu fünf Inklusionskindern.




Es ist Zeit, für den inklusiven Weg. "Luca Jager" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nd) http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/deed.de


Im Übrigen kennen auch die Länder, die sehr viel Integrationserfahrung haben, kein System mit einer kompletten Inklusion. Auch ein Land wie Finnland hat klassische Sonderschulen für rund ein Prozent aller Schüler und zusätzlich besuchen dort rund drei Prozent der Kinder Sonderklassen. Offensichtlich ist anderswo auf der Welt die Erkenntnis, dass der Inklusion Grenzen gesetzt sind, schon weiter fortgeschritten. Allerdings gibt es zwischen Finnland und Deutschland auch einen elementaren Unterschied: 40 Prozent der Schulen in Finnland haben weniger als 50 Schüler und 60 Prozent haben weniger als sieben Lehrer. Insofern ist schon aus historischen und geografischen Gegebenheiten in Finnland so etwas wie ein klassisches Sonderschulsystem überhaupt nicht denkbar. Die großen Schuleinheiten, die wir hier haben, sind in Finnland gänzlich unbekannt. Im Mittelpunkt steht dort die Dorfschule, die Gemeinschaftsschule, so wie in Schweden. Im Mittelpunkt der deutschen Bildungstradition steht das Gymnasium.


Die grundlegende Frage ist doch: Was ist das Ziel von Schule, was ist das Ziel von Inklusion? Die Überzeugung, dass das Gemeinsame ein hoher Wert ist, teile ich. Aber das kann nicht das einzige Kriterium sein. Es geht in der Schule auch um die Entwicklung von Leistung und darum, Kinder angemessen auf das Leben vorzubereiten. Insofern ist zum Beispiel die Frage nicht unerheblich, wie viele Kinder, die als lernbehindert gelten, überhaupt zum Hauptschulabschluss kommen. Diese Frage muss man an beide Systeme stellen - an die Inklusion wie an die spezielle Beschulung. Die Erfolge der Sonderschulen sind auf diesem Gebiet nicht überwältigend. 25 bis 30 Prozent der Schüler erreichen einen Hauptschulabschluss. Wir wissen nicht, ob diese Zahl in der Inklusion wirklich höher sein wird.


Der Hamburger Schulversuch in den 1990er Jahren, ein klassischer Inklusionsversuch, bei dem u. a. die sonderpädagogische Förderkategorie im Bereich Lernen abgeschafft wurde, hat keine besonders ermutigenden Ergebnisse hervorgebracht. Die leistungsschwächeren Schüler sind die leistungsschwächeren geblieben. Das durchschnittliche Leistungsniveau der Klassen war auffallend gering, die Sonderschulüberweisungsquoten hatten sich nach vier Grundschuljahren keinesfalls reduziert.


Auch wenn insgesamt einiges dafür spricht, Lernbehindertenschulen nicht im bisherigen Ausmaß beizubehalten, so stellt sich dennoch die Frage, ob man für bestimmte Kinder weiterhin spezielle Schulangebote bereithalten sollte. Für Kinder nämlich, die in inklusiven Klassen nicht gut zurechtkommen. Besonders sensible Kinder, solche die sich leicht gemobbt fühlen, oder Kinder, die einen stabilen, vertrauten Rahmen brauchen, kommen oft in kleinen überschaubaren Gruppen mit engeren, intensiveren Bindungen besser zurecht.


Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass selbst die Eltern unterschiedlicher Auffassung sind. Es gibt Elterninitiativen für den Erhalt der Lernbehindertenschulen. Es gibt Elterninitiativen für mehr Inklusion. Eltern sind sehr auf pädagogischen Sachverstand angewiesen und auf fachlich kompetente Beratung, die möglichst unideologisch erfolgen sollte. Dabei mag für das eine Kind der eine Weg besser sein als der andere. Ich glaube nicht, dass grundsätzlich immer, zu allen Zeiten und bei jedem Kind der inklusive Weg der richtige ist. Und ich bin ebenso davon überzeugt, dass man nicht prinzipiell auf institutionelle Differenzierungen verzichten sollte.


Deshalb muss es den inklusiven Weg geben. Es ist zweifelsfrei ein großer Fortschritt, wenn Kinder ein Recht darauf haben, gemeinsam beschult zu werden. Gleichwohl macht eine gemeinsame Beschulung für ein Kind, das eine Behinderung aufweist, doch nur dann einen Sinn, wenn ihm diese Beschulungsform persönlich dienlich ist; wenn sie ihm hilft, in der Schule und im späteren Leben besser zu Recht zu kommen. Insofern müssen unterschiedliche Wege offen gehalten werden. Von einer radikalen institutionellen Entdifferenzierung halte ich wenig. So sind Kinder mit massiven Verhaltensstörungen oft nur sehr schwer zu integrieren. Es gibt weltweit kein tragfähiges Modell, in dem eine totale Inklusion für diese Personengruppe funktioniert.


Ein gutes Schulsystem ist eines, das Kindern und Jugendlichen mit Behinderung den bestmöglichen Weg ins Leben weist, das dazu führt, dass sie optimale Entwicklungsmöglichkeiten erhalten, um mit sich selbst und in der Gesellschaft zurechtkommen. Dabei spielt auch der Leistungsgesichtspunkt eine wichtige Rolle. Bei Schülern mit einer Lernbehinderung muss es ein starkes Bemühen darum geben, so viele Schüler wie irgend möglich zum Hauptschulabschluss zu bringen. Weil das eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass sich ihre Zukunftsperspektiven verbessern. Nach der Schule stellt das Leben an alle Menschen die gleichen Fragen: Kannst du lesen, schreiben, rechnen und kannst du dich adäquat benehmen? Die Relativierung pädagogischer Ziele im Sinne von Beliebigkeit und bunter Vielfalt steht häufig in einem krassen Widerspruch zu den Anforderungen des Erwachsenlebens. Schließlich soll die Schule Kinder auf das Erwachsenenleben vorbereiten.


Insofern sind mir manche Beiträge zur Inklusionsdiskussion ein bisschen zu schlicht. Ich glaube, dass der unbedingte Gemeinsamkeitswille ein Ziel ist, über das man noch einmal nachdenken sollte. Ist immer für alle Menschen das Gleiche gut genug? Inklusion im Sinne einer guten Förderung behinderter Kinder kann nur funktionieren, wenn wir hochgradig qualifizierte Spezialisten haben und wenn wir anerkennen, dass Menschen besonders sind und Besonderes brauchen. Die Abschaffung der sonderpädagogischen Förderkategorien, ihre Nivellierung zugunsten einer diffusen allgemeinen Entwicklungsförderung ist dazu kein guter Ratgeber. Eine große Gefahr ist, dass man behinderte Menschen in ihren Entwicklungsnotwendigkeiten übersieht, weil es allzu große Hemmungen gibt, ihre Schwierigkeiten als solche anzuerkennen und begrifflich zu fassen. Die Angst vor Etikettierungen ist manchmal schon ein wenig bedenklich.


Zu einer offenen Auseinandersetzung über die Inklusion muss es aber gehören, dass man über diese Bedenken frei sprechen kann. Ich habe den Eindruck, dass das gegenwärtig ziemlich schwierig ist. Im öffentlichen wie im fachlichen Diskurs wird leider sehr häufig projiziert und gespalten und diejenigen, die nicht im Mainstream mitschwimmen, werden dadurch in eine krasse Außenseiterposition gebracht. Der Satz "Vielfalt ist bereichernd" sollte auch hier gelten. Ihn auszusprechen ist offensichtlich leichter, als ihn ins Leben zu integrieren.



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