All posts in Öffentlicher Dienst

11 Dezember 2013

Seiteneinsteiger als Lehrer – was ist davon zu halten?

Mein Artikel zur Anfrage der Bayerischen Staatszeitung zum Thema:


„Seiteneinsteiger als Lehrer – was ist davon zu halten?“


Seiteneinsteiger sollen nicht der Regelfall sein, aber wir brauchen sie


Wir brauchen an den Schulen motivierte und engagierte Lehrkräfte, die in diesem Beruf bestmöglich ausgebildet sind. Diese Ausbildung erfolgt aus Sicht der FREIEN WÄHLER grundsätzlich in einem universitären Lehramtsstudium mit anschließendem Referendariat  und einer abschließenden Staatsprüfung. Im Rahmen dieser Ausbildung werden sowohl ein profundes Fachwissen, aber auch breite Kenntnisse in Didaktik und Methodik erworben. Spätestens seit der vielbeachteten Studie des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie wissen wir, dass der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler im Wesentlichen am erteilten Unterricht der Lehrkraft liegt.




Niko Korte  / PIXELIO / pixelio.de

Niko Korte / PIXELIO / pixelio.de


Somit ist die Ausbildung zur Lehrkraft der entscheidende Schlüssel, um die Qualität des Unterrichts zu garantieren. Deshalb brauchen wir junge Menschen, die sich bewusst für das Berufsbild entscheiden. Es ist dabei die Verpflichtung des Kultusministeriums, eine bedarfsgerechte und zukunftsweisende Bildungsplanung zu erstellen, um Lehramtsstudierenden eine verlässliche Perspektive zu bieten. Modellrechnungen über die Entwicklung der Schülerzahlen und den Lehrerbedarf sind deshalb dringend notwendig und hier gibt es in Bayern wenig Transparenz. Die Bedarfsprognose ist oftmals nicht zielgenau und hat zur Folge, dass es für einige Fächern bzw. Schularten zu wenige Bewerber gibt.


In diesem Fall sind wir FREIEN WÄHLER überzeugt davon, dass wir Seiteneinsteiger dringend brauchen, um eine gleichwertige Unterrichtsversorgung an allen bayerischen Schulen zu ermöglichen. Dabei darf aber auf eine qualitätsorientierte Weiterqualifizierung der Seiteneinsteiger nicht verzichtet werden. Denn: Neben dem Fachwissen, das diese Personengruppe ohne Zweifel mitbringt, müssen wir darauf achten, dass die Unterrichtsinhalte auch altersgemäß den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden. Dazu bedarf es der Fachdidaktik und eines vielfältigen methodischen Baukastens – beides gehört zwingend in die Weiterqualifizierung der Seiteneinsteiger. Dabei sollen die gleichen Qualitätsstandards wie bei einem Lehramtsstudium mit anschließendem Referendariat gelten. Mein Fazit: Seiteneinsteiger sollen nicht der Regelfall sein, aber wir brauchen sie.



5 Dezember 2013

Bildungsstudie und ihre Auswirkungen

Verordnete Ruhe in Bayern könnte sich bald rächen


Es vergeht kaum ein Monat in dem nicht eine Bildungsstudie die andere jagt. Ob Bildungsmonitor, IGLU, TIMSS oder wie in dieser Woche wieder PISA: sie alle wollen uns angeblich zeigen, wie gut oder schlecht deutsche oder bayerische Schülerinnen und Schüler im entweder nationalen oder internationalen Vergleich stehen. Die dabei erzielten Ergebnisse sehe ich generell stets kritisch, denn sie bilden oft nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was einen Schüler und schon gar dessen Persönlichkeit ausmachen, ab. So auch die aktuelle PISA-Studie, die Deutschlands Nachwuchs im weltweiten Vergleich hinsichtlich ihrer Kompetenzen in Mathematik und den Naturwissenschaften im oberen Mittelfeld sieht.




Thomas Weiss  / PIXELIO / pixelio.de

Thomas Weiss / PIXELIO / pixelio.de


Kritisch frage ich deshalb, weil für mich die Schülerinnen und Schüler nicht nur in diesen Fachgebieten kompetent sein müssen, sondern mir genauso wichtig erscheint, wie sie in Deutsch oder anderen Fächern abschneiden. Also mal halblang mit diesen von den Medien hochgespielten Ergebnissen. Diese dürfen ohnehin nicht dazu führen, sich auf die Schulter zu klopfen und zurückzulehnen. Ich erlebe dies ja auch in den zeitlichen Abständen, dass gerade das bayerische Bildungsministerium gutes Abschneiden bayerischer SchülerInnen dazu verwendet, die tolle bayerische Bildungspolitik herauszustellen.


Deshalb sehe ich mit einer gewissen Sorge, dass nicht nur der bayerische Ministerpräsident Seehofer, sondern auch der zuständige Minister Spaenle nun angekündigt hat, im Schulbereich fünf Jahre nichts mehr zu tun und den Schulen lediglich Ruhe zu verordnen. Als Sportler weiß ich, wie wichtig es ist, stetig daran zu arbeiten, besser zu werden. Es muss deshalb für Deutschland und Bayern den Anreiz geben, in der nächsten Erhebung in die Champions-League-Plätze vorzudringen. Dies gelingt aber nur, wenn wir jetzt nachlegen mit entsprechend nötigen Personal-Ressourcen und nicht eine „Trainingspause“ von fünf Jahre einlegen. Denn die könnte sich sehr bald rächen. Stattdessen brauchen wir zügig mehr gebundene Ganztagsschulen an allen Schularten und eine verstärkte individuelle Förderung, vor allem von Kindern mit Migrationshintergrund. Aber wie soll das ohne zusätzliche Mittel funktionieren?



5 Dezember 2013

Realschulen brauchen dringend demografische Rendite

Sie funktionieren, boomen und machen ihre Arbeit ohne großes Tamtam: die Rede ist von den bayerischen Realschulen. Doch wenn man genau hinter die Kulissen schaut, dann sieht es um die Situation an den bayerischen Realschulen gar nicht so rosig aus. So gibt es allein 750 Klassen an den Realschulen, die noch mehr als 30 Schüler haben! Bei Klassengrößen über 25 Schüler und Schülerinnen reden wir immerhin von ganzen 3650!




Manfred Jahreis  / PIXELIO / pixelio.de

Manfred Jahreis / PIXELIO / pixelio.de


Wir FREIEN WÄHLER haben bereits vor fünf Jahren gefordert, dass es mittelfristig keine Klasse über 25 Schüler geben darf und hatten damals als Schritt in diese Richtung vorgeschlagen, dass keine Eingangsklasse an bayerischen Haupt-/Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien  mit mehr über 25 Schüler gebildet werden sollte. Die Staatsregierung hat dies gar nicht tangiert und hat weiter unzumutbare Schülerhöchstzahlen produziert, weil sie keine klare Linie aufweist und wegen zu geringem Personal-Inputs stets nur Löcher stopft. Allein für die Absenkung der großen Klassen über 30 Schüler an den Realschulen sind 1250 Vollzeitstellen nötig.


Ein weiter kaum bekannter Umstand ist, dass es aufgrund des seit Jahren herrschenden Lehrermangels an den Realschulen  gar nicht mehr möglich ist, die vollumfängliche Stundentafel abzuhalten. Dies zu ändern würde weitere 110 Vollzeitstellen fordern. Und von individuellen Förderstunden und einer integrierten Lehrerreserve, wie sie das Gymnasium schon hat, ist dann gar nicht die Rede. Insofern ist einmal mehr festzustellen, dass der von Ministerpräsident Seehofer angekündigte Stellenstopp Bayern im Bildungsbereich ins Verderben führen würde. Hier werden wir in den nächsten Monaten und Jahren noch heftige Debatten führen müssen, denn dieser darf für den Bildungsbereich nicht gelten. Es gibt an Bayerns Schulen zahlreiche wichtige Aufgaben zu erledigen, etwa die individuelle Förderung der Kinder, die Einrichtung von gebundenen Ganztagszügen und die Inklusion – und all dies funktioniert nur mit ausreichenden Stellen.


Wir FREIE WÄHLER werden an unserer langjährigen Forderung, dass es in allen Schularten künftig keine Klasse mit mehr als 25 Kindern geben dürfe, weiter festhalten. Seehofers Ankündigung, keine neuen Lehrkräfte mehr einstellen zu wollen, ist fahrlässig. Deshalb müssen als Mindestmaß kurzfristig die aufgrund des Schülerrückgangs frei werdenden Lehrerstellen an den Realschulen - die sogenannte demografische Rendite – in jedem Fall dort belassen werden.



5 Dezember 2013

Seehofer vs. Felbinger

Zwei Meinungen, die sich durchaus ergänzen. Der bayerische Ministerpräsident Seehofer schließt eine komplette Rückkehr zum G9 aus. Ich sehe darin schon den geordneten Rückzug der CSU aus dem G8:


Bad Kissingen


Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schließt eine vollständige Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium aus. „Es gibt keine großen Schulstrukturreformen“, sagte Seehofer am Mittwoch am Rande einer CSU-Fraktionssitzung in München. Er reagierte damit auf einen entsprechenden Vorstoß des Philologenverbandes. Dieser will die Gymnasialzeit wieder auf neun Jahre verlängern, wenn auch nicht zurück zum «alten» G9. Der Verband will nun ein eigenes G9-Konzept vorlegen. „Jetzt warte ich mal ab, was die Philologen entwickeln“, sagte Seehofer. Das werde nach Auskunft des Vorsitzenden Max Schmidt rund ein Jahr dauern. „Und dann schauen wir uns das mal an“. Der Regierungschef betonte mit Blick auf das neue Flexibilisierungsjahr: „Individuell haben wir ja das G9.“ Es gehe um eine „richtige Ausgestaltung für die, die neun Jahre brauchen“.


Im Umkehrschluss bedeutet die Aussage Seehofers, dass er eine Teilrückkehr und damit eine Wahlmöglichkeit durchaus für denkbar hält. Nichts anderes fordern wir FREIE WÄHLER in unserem Volksbegehren. Es wäre nicht das erste Mal, dass Seehofer „frei wählert“ und die CSU eine Freie WÄHLER-Position übernimmt. Stichwort Studiengebühren.



22 November 2013

Erstes Wahlversprechen gebrochen – Lehrerstellen, wohin?

Erst wenige Wochen ist die Legislaturperiode alt und schon treten die altbekannten Mechanismen wieder auf. Wahlversprechen sind für die CSU das eine, die Wirklichkeit im Landtag - sich dort an diese wieder zu erinnern - ist dann das andere. Mit einem Dringlichkeitsantrag zum Behalt der Lehrerstellen aus der sogenannten demografischen Reserve, also jene Lehrerstellen im Schulsystem, die durch zurückgehende Schülerzahlen frei werden, wollten wir Freien Wähler gleich in der ersten Sitzung des Bildungsausschusses die neue Staatsregierung auf die Probe stellen.

Mit der Ablehnung unseres Antrags hat die CSU bereits in der ersten Sitzung des Bildungsausschusses bewiesen, dass Bayerns Schulen nichts auf abgegebene Versprechungen der Christsozialen geben können. Der Dringlichkeitsantrag hatte eine Garantie dafür verlangt, dass auch bei zurückgehenden Schülerahlen die frei werdenden Lehrerstellen für die Schulen erhalten bleiben. Das steht exakt so auch im Bayernplan der CSU, aber wieder einmal muss der Bürger feststellen, dass Papier geduldig ist.

SONY DSC

Dabei benötigen - wie sich erst diese Woche bei meinem Besuch an der Grundschule Zeitlofs herausstellte - die Schulen diese so genannte „demografische Rendite“ für die Anforderungen vor Ort dringend. Deutlich wird das zum Beispiel in Zeitlofs, wo das Fach Deutsch in einer Klasse von drei Lehrern unterrichtet und insgesamt neun Lehrkräfte in einer jahrgangsgemischten Klasse tätig sind. Das entbehrt sich jeder Grundlage einer vernünftigen Bildungspolitik.

Wenn der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung vollmundig ankündigt, dass er Ganztagsschulen ausbauen, kleine Grundschulen erhalten und die Inklusion voranbringen will, frage ich mich, wie das angesichts des von Seehofer verordneten Stellenstopps gelingen soll. Wandert zudem noch die demografische Rendite ab, gibt es für Zukunftsaufgaben der Bildung keinerlei Spielräume mehr.

Besonders dreist ist die Ablehnung unseres Antrages aufgrund der vielfältigen Ankündigungen des Ministerpräsidenten im Bereich der Hochschulen. „Bayerns Schulen stehen harte Zeiten bevor.“ Sie würden dringend benötigte Stellen nicht erhalten, sondern sogar Stellen verlieren. Die Folgen seien zwangsläufig steigende Klassengrößen und weniger Möglichkeiten für individuelle Förderung.

Denn bereits einmal nach dem doppelten Abiturjahrgang verschob die Staatsregierung die frei werdenden Stellen aus dem Schul- in das Hochschulsystem und das darf angesichts der an allen Ecken und Enden nicht ausreichenden Lehrerversorgung an Bayerns Schulen nicht noch einmal passieren. Deshalb werde ich auch weiter für eine ausreichende Unterrichtsversorgung an Bayerns Schulen eintreten, ob der CSU das gefällt oder nicht.


7 November 2013

Staatsregierung hat Anschluss verpasst

Vielleicht wird es mir in dieser Legislaturperiode noch öfter so gehen wie bei einer bildungspolitischen Podiumsdiskussion in dieser Woche in Dachau. Wobei für Dachau auch Zeitlofs, Hammelburg oder Lohr stehen könnte. Nachdem die Schulleiter von Grund-, Förder-, Mittel-, Wirtschafts- und Realschule sowie eines Gymnasiums ihre Unzufriedenheit mit den derzeitigen nicht mehr zu tolerierenden, ungenügenden Rahmenbedingungen an ihren Schulen kund getan hatten, war bei mir die Ernüchterung groß.




Dieter Schütz  / PIXELIO / pixelio.de

Dieter Schütz / PIXELIO / pixelio.de


Nein …, so schlimm hatte ich es mir bei weitem nicht vorgestellt: zu wenig Lehrerstunden, zu wenig Fachpersonal für die Umsetzung der Inklusion, zu große Klassengrößen bei gleichzeitig einer hohen Anzahl Inklusionskinder. 10 bis 20 Stunden Mehrarbeit von Schulleitern um mittels Gesprächen und Sitzungen den Laden am Laufen zu halten, fehlende fachliche Fortbildungen für die Lehrer und nicht an die Anforderungen der heutigen heterogenen Schulsituation ausgebildete Junglehrer, krass hohe Fluktuationen in den Lehrerkollegien! So massiv und in der Tragweite hatte ich bisher Schulleiter in der Öffentlichkeit nicht auf die uns durchaus bekannten Fehlentwicklungen im bayerischen Schulsystem schimpfen hören.


Da war ich bisher mit den Schilderungen in meiner unterfränkischen Heimat von ständig ausfallendem Unterricht an der Grundschule Hammelburg, zu wenig Lehrerstunden an der Grundschule Zeitlofs, Lehrerversorgungsproblemen an der Grundschule Lohr-Sackenbach und stets der zu dünnen Lehrpersonaldecke geradezu verwöhnt gewesen. Ja manchmal dachte ich mir in der Vergangenheit auch, dass sei unter Umständen vor allem ein Problem des ländlichen Raumes.


Aber nun, Dachau, mitten im Speckgürtel Münchens und dessen größte Zuzug-Stadt …, bin ich jetzt im falschen Film? Zwangsläufig gingen mir Gedanken durch den Kopf wie, wo kommen denn die 47 Prozent der CSU bei der Landtagswahl her, wenn alles doch so dramatisch ist und Seehofer und Spaenle uns immer weiß machen wollen, dass am bayerischen Bildungshimmel alles himmelblau und rosarot sei?




Stephanie Hofschlaeger  / PIXELIO / pixelio.de

Stephanie Hofschlaeger / PIXELIO / pixelio.de


Endlich einmal, und darüber war ich froh, haben Schulleiter Tacheles geredet und sich keinen kultusministeriellen Maulkorb verpassen lassen. Da kam es also zu Tage: Inklusion als große Aufgabe und Herausforderung für die Schulen, aber ohne zusätzliche spürbare Ressourcen! „Wie soll das gehen, wenn Klassen mit 28 Grundschüler und davon bis zu 9, teilweise verhaltensauffällige Inklusionsschüler, mit einer Lehrkraft auskommen soll? Wie soll da jedem einzelnen Schüler Rechnung getragen werden, wenn sich um jeden Inklusionsschüler individuell gekümmert werden soll?“ fragte zu recht eine hochengagierte, aber nahezu verzweifelte Schulleiterin. Oder wie sollen nicht ausgebildete und auch nicht fortgebildete Grund-und Hauptschul-Lehrkräfte behinderte und förderbedürftige Kinder unterrichten, wenn sie hierfür bisher keine spezifische Fortbildung erfahren haben, war die berechtigte nächste Frage. Und wie soll der immer stärker zunehmenden Heterogenität in den Schulklassen mit je einer Stunde individuellem Förderunterricht pro Jahrgangsstufe in der Mittelschule begegnet werden? Bei dieser Beschreibung des Mittelschul-Leiters konnte das Publikum nur verzweifelt den Kopf schütteln.


Probleme über Probleme, aber der damit konfrontierte CSU-Kollege betete munter irgendwelche Statistiken über erste Plätze in dieser und jener Studie von einem Blatt herunter. Doch das Publikum hörte scheinbar gut zu und konnte sich das Lachen nicht verkneifen, denn die Studien stammten aus den Jahren 2010 und 2011, peinlich! Erst diese Woche kam aktuell die neue vbw-Studie zu den Ganztags-Grundschulen auf den Markt, letzter Platz für Bayern. Es sind keine zwei Wochen vergangen, da war es der Bildungsmonitor 2013 der Bertelsmann-Stiftung, der Bayern …., ja Bayern … nur noch auf Platz 3 sah.


Ja, ich frage mich schon, wenn ich die rund zweieinhalbstündige von den Lehrern wie den Zuhörern mit Hingabe und Herzblut geführte Diskussion erlebt habe, wie eine absolute Mehrheit für die CSU bei der Landtagswahl zustande kommen konnte? Für ein derart desaströsen Zustand des bayerischen Schulsystems wären die Oppositionsbänke gerade einmal hart genug gewesen. Und, das frage ich mich auch: wie können wir Oppositionspolitiker den Bürgerinnen und Bürgern helfen diese Missstände verbessern, wenn im gleichen Atemzug der CSU-Kollege die bayerischen Bildungsausgaben als außerordentlich hoch lobpreist und behauptet, man gäbe schon ein Drittel des Haushaltes für Bildung aus?


Letzteres ist zwar richtig, aber eben angesichts der zu bewältigenden Herausforderungen zu wenig. Unsere Berechnungen, ausgerichtet am Bruttoinlandsprodukt zeigen, dass Bayern bei den Bildungsausgaben eben nur auf Rang 13 im Ranking der Bundesländer liegt. Wir FREIE WÄHLER sind schon seit langem der Meinung, dass wir eine Bildungs-Milliarde benötigen, die rund 5000 (wirklich) neue Personalstellen für die immer heterogenere Schülerschaft mit immer neuen Herausforderungen wie Inklusion, kontinuierlich steigende Anzahl nicht deutsch sprechender Schüler, Umsetzung des Ganztagsschulbetriebes und zunehmenden Leistungsanforderungen bereits in der Grundschule, schafft. Die Staatsregierung – und das ist mir nochmal deutlicher geworden – hat die gesellschaftlichen Veränderungen verschlafen und das Bildungssystem nicht rechtzeitig diesen angepasst.



2 November 2013

Bürgernähe als FW-Ziel!

Wenn sich in der kommenden Woche mit den 13 Ausschüssen die wahren Arbeitsgremien des Bayerischen Landtages konstituieren, dann beginnt für uns gewählte Parlamentarier nach vielen Monaten des Wahlkampfes die alltägliche Arbeit wieder. Und die heißt, da sein für den Bürger und Schaffung besserer Rahmenbedingungen für die Menschen in Bayern – und das in vielen Bereichen.


In meiner zweiten Legislaturperiode im Landtag steht Kontinuität an erster Stelle. Erneut werde ich unsere Fraktion im Ausschuss für Fragen des Öffentlichen Dienstes und im Bildungs- und Kultusausschuss vertreten. Eine besondere Ehre wird mir im ÖD-Ausschuss zuteil, denn hier wurde ich seitens meiner Fraktion für den stellvertretenden Vorsitz vorgeschlagen und bestimmt. Vorbehaltlich der Wahl am kommenden Mittwoch also eine neue und zusätzliche Aufgabe.


12


Neu ist auch der Zuschnitt des neuen Bildungs- und Kultusausschusses. Nachdem Seehofer ja das Super-Ministerium Bildung und Wissenschaft ausrief, war lange Zeit die offene Frage, ob daraus gegebenenfalls auch ein Super-Ausschuss werden würde. Aber soweit ging dann des Ministerpräsidenten Vision doch nicht, denn schließlich hätte dies bedeutet, dass ein Posten weniger für die 101 starke CSU-Truppe zu vergeben gewesen wäre.


So sind wir gespannt, wie sich die neuen Zuschnitte dann in der Realität tatsächlich auswirken, denn beispielsweise wurde der Sport dem Innenresorts zugeordnet, während wiederum der Schulsport im Kultusbereich verbleibt.


Nichtsdestotrotz können wir FREIEN WÄHLER gerade im Bildungsbereich auf unsere ausgewogene und von Sach- und Fachkompetenz geprägte Politik der vergangenen Legislaturperiode aufbauen.  Dass wir hier sehr nah am bayerischen Bürger waren, zeigt mir auch eine Mail, die ich dieser Tage von einem kompetenten Verbandsvertreter erhalten habe und an der ich Sie gerne in Auszügen teilhaben lasse:


"Sehr geehrter Herr Felbinger,


herzlichen Dank für Ihre persönliche Antwort.


Auch ich möchte mich für die guten Gespräche bedanken, in denen wir alle Ihre ernsthaften Bemühungen um Verbesserung der Arbeitsbedingungen an bayerischen Schulen erlebt haben. Wir haben uns von Ihnen sehr ernst genommen gefühlt mit unseren Anliegen und Nöten. Leider war der Wahlausgang nicht in Ihrem Sinne, und auch der ... hätte sich eine andere Regierungskonstellation gewünscht.


Der BLLV (...) hat vor der Wahl in Bayern einen „Wahlomat“ eingerichtet.


Die Antworten der Umfrageteilnehmer haben bei den Aussagen der FREIEN WÄHLER mit 90% die höchste Zustimmung ergeben. Als ich für den Verband ebenfalls an dieser Umfrage teilgenommen habe, hatte auch ich für unseren Verband die höchste Übereinstimmung mit den FW!


Ich wünsche Ihnen deshalb für die nächsten Jahre (leider in der Opposition) viel Durchhaltevermögen und eine besonders hohe Resilienz!"


Eines kann ich schon jetzt versprechen, nämlich dass wir FREIE WÄHLER weiter für eine bessere Bildung in Bayern kämpfen werden und uns auch durch den Wahlausgang nicht von unserem Ziel abbringen lassen.


Wie genau die Ausschüsse in dieser Legislaturperiode besetzt sind, können Sie hier nachlesen!



26 Oktober 2013

Erste Plenardebatte zur Wahlmöglichkeit G8/G9

Die erste Plenar-Debatte in der neuen Legislaturperiode, ja, ... sie war zäh. Deutlich hat man dem neuen Parlament angemerkt, dass man sich noch nicht so recht eingefunden hat auf den neuen Plätzen. Auch kein Wunder, denn angesichts der bis dato noch in nahezu allen Fraktionen offenen Fragen hinsichtlich der endgültigen Ausschuss-Besetzungen und Zugriffe auf die Vorsitzenden- und Stellvertreterposten, herrschte doch allerorten noch leichte Verunsicherung, wo es den einen oder anderen hin verschlägt.


Plenarsitzung


Da hatte ich es doch schon relativ gut, denn meinem bisherigen Zuständigkeitsbereich, der Bildung, - und das war innerhalb der Fraktion unstrittig - sollte und werde ich auch weiterhin treu bleiben. Das ist sicher auch deshalb sinnvoll, weil wir derzeit mit unserem Volksbegehren zur Wahlfreiheit G8/G9 mitten in der Fahrt sind und es unklug wäre, da noch  eine Vollbremsung hinzulegen.


Deswegen haben wir heute auch gleich die Staatsregierung mit unserem Gesetzentwurf zur Wahlfreiheit konfrontiert. Schwach, was da seitens der CSU als Rechtfertigung für das marode G8 kam, ganz zu schweigen von dem Kalauer "Flexi-Jahr". Staatsminister Spaenle hatte erst kürzlich in einer Anfrage, wie viele Schüler bayernweit das Flexi-Jahr als freiwilliges Wiederholungsjahr nutzen, bekennen müssen, dass er dazu keine Angaben machen könne. Auch heute blieb er dazu stumm.


Die dahinter steckende Wirklichkeit ist vielmehr, dass die Zahl der sogenannten "freiwilligen Wiederholer" wohl so im kleinsten Promillebereich liegt, dass es peinlich geworden wäre für "Mr. Flexi-Jahr", diese bekannt zu geben.


Die Wahrheit ist eben auch, dass das Flexi-Jahr ein ressourcenraubendes Instrument der angeblichen individuellen Lernzeit ist, das nur wenigen Schülerinnen und Schülern zu Gute kommt, viel für Unruhe an den Gymnasien sorgt und viele Erwartungen der Eltern bei weitem nicht erfüllt. Von wegen jedem Schüler seine individuelle Lernzeit, wie es die Hochglanz-Broschüre des Spaenle-Ministeriums suggeriert.


Deshalb plädieren wir FREIE WÄHLER für eine gesteuerte Lernzeitverlängerung um ein Jahr und keine spaenlesche Wischiwaschi-Lernzeitverlängerung: einfach mehr Zeit zum Leben und Lernen und vor allem eine qualitätsvolle Weiterentwicklung zum G9, bei der auch die Möglichkeit zur Entwicklung der Persönlichkeit und geistigen Reife im Mittelpunkt der gymnasialen Ausbildung steht.


mdl_piazolo_vb_wahlfreiheitg9_luftballon-aktion


Interessanterweise fand ich dieser Tage auch ein Zitat des bei der Einführung des G8 im Jahr  2003 tätigen Kultus-Staatssekretärs und noch heute im Landtag sitzenden Kollegen Freller. Dieser rechtfertigte mit folgenden Worten, die parallele Einführung des damaligen G8-Modellversuchs: "Am Gymnasium könnten Eltern und Kinder neben Ausbildungsrichtungen, Fremdsprachenfolgen oder Prüfungsfächern jetzt auch vermehrt zwischen verschiedenen Nachmittagsangeboten sowie der acht- oder neunjährigen Ausbildungsdauer wählen".


Da frage ich laut, warum soll also heute im Jahr 2013/14 nicht mehr möglich sein, wofür sich das Kultusministerium vor 10 Jahren selbst noch so gelobt hat? Also: packen wir es an, die Wahlmöglichkeit G8/G9 am bayerischen Gymnasium. Halten wir auch fest, dass die CSU-Regierung dies heute noch ablehnt. Fragt sich nur, wie lange noch?


Hier meine Rede zum G8/G9! (Einfach in der Redeabfolge auf "Günther Felbinger" klicken!)



17 Oktober 2013

Schuljahresstart lässt zu wünschen übrig

Kaum hat das neue Schuljahr begonnen, schon höre ich allerorten wieder von alten Problemen. Lehrerstunden-Einsparungen in den ländlichen Grundschulen führen immer öfter zu sogenannten jahrgangsgemischten Klassen, also echten „Spar-Modellen“. Da hilft auch die Zusammenlegung des Kultusministeriums mit dem Wissenschafts-Ministerium zunächst mal gar nichts, um Bayerns Schulen zukunftsfähig zu machen, wie sich Ministerpräsident Seehofer bei der Neu-Zusammenstellung der Ministerien dies ja bekanntlich vorgestellt hat.




Screenshot der saale zeitung vom 12.10.2013

Screenshot der saale zeitung vom 12.10.2013


So gehen derzeit in Zeitlofs, im Landkreis Bad Kissingen, die Eltern zu Recht auf die Barrikaden und im aufgeführten Sreenshot können Sie es mitverfolgen: „Eltern steigen Schulamt aufs Dach“. Nur so geht es, nur diese Sprache verstehen die Minister und Super-Minister. Denn in allen Fällen sogenannter Jahrgangsmischungen steht nicht – wie vom KM behauptet – das pädagogische Konzept im Vordergrund, sondern der Sparwille des Ministeriums. So werden die nötigen Lehrerstunden der Qualität der Schulbildung geopfert - schade. Dabei kostet doch eine Lehrerstelle im Jahr inklusive aller Nebenkosten „nur“ rund 50 000 Euro. Einen Schüler ohne Schulabschluss nachträglich wieder auf die Bildungs-Erfolgsspur zurück zu führen, kostet hingegen das Mehrfache! Deshalb kämpfe ich seit Jahren für eine bessere Lehrerausstattung in unserem Freistaat.




Screenshot der saale zeitung vom 12.10.2013

Screenshot der saale zeitung vom 12.10.2013


Es gibt klare Berechnungen, dass wir von vornherein bei all den zu bewältigenden Herausforderungen wie Ganztagsschule, Inklusion, Migration rund 5000 neue –und zwar wirklich neue – Lehrerstellen in Bayern brauchen, um eine gute Bildung zu garantieren. Da müssen sich in der neuen Legislaturperiode auch Spaenle und Co daran messen lassen.


Und ich lasse nicht locker, versprochen!



29 September 2013

Der Fall Mollath und die bayerischen Behörden

Der Fall „Mollath“ hat wohl wie kaum ein anderer Justizskandal in den vergangenen Jahren für reichlich Schlagzeilen gesorgt. Angefangen hatte die Episode Mollath mit einem Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER und erst nach vielen Monaten, nachdem sich auch die übrigen Oppositionsparteien im Landtag der Tragweite des Falles bewusst wurden, kam Fahrt in die Sache, die schließlich mit der Freilassung aus der Psychiatrie für Mollath endete. Um allen Interessierten einmal einen Überblick über die Versäumnisse und Fehler der bayerischen Behörden zu geben, haben wir dies einmal zusammen getragen. Viel Spaß beim Lesen!




Marianne J.  / PIXELIO / pixelio.de

Marianne J. / PIXELIO / pixelio.de


Zusammenfassung: Versäumnisse bayerischer Behörden im Fall Gustl Mollath


Herr Mollath wurde trotz der großen Anzahl an Vorgängen in verschiedensten Behörden und Referaten über zehn Jahre hinweg nie persönlich angehört, obwohl er in unzähligen Schreiben inständig darum bat. Am 11.06.2013 wurde Herr Mollath auf Antrag der Oppositionsfraktionen vom Untersuchungsausschuss angehört. Erstmals hat sich damit eine staatliche Institution ernsthaft mit der Position Herrn Mollaths auseinandergesetzt.


Versäumnisse der Staatsanwaltschaft:




  • Die Staatsanwaltschaft hat trotz konkreter Anhaltspunkte in den Strafanzeigen Herrn Mollaths nicht einmal Vorermittlungen durchgeführt, obwohl ihr das möglich gewesen wäre. Eine ordnungsgemäße Prüfung ist nicht erkennbar. Die Staatsanwaltschaft hat gegen ihre Pflicht zur Objektivität verstoßen. Während die Anzeigen von Herrn Mollath nicht ernsthaft geprüft wurden, wurden Anzeigen gegen ihn sehr wohl weiterverfolgt und angeklagt. Eine kritische Überprüfung der staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen durch die Generalstaatsanwaltschaft oder das Ministerium im Rahmen der Fachaufsicht hat nicht stattgefunden.



  • Die Staatsanwaltschaft hat auch noch im Strafverfahren gegen Herrn Mollath einseitig zu seinen Lasten ermittelt. Die Glaubwürdigkeit seiner damaligen Frau wurde nicht angezweifelt, obwohl bekannt sein hätte müssen, dass sie bereits im Februar 2003 ihre Stelle verloren hatte. Die Staatsanwaltschaft wäre als „Wächterin des Gesetzes“ in allen Verfahrensstadien zur Gerechtigkeit und Objektivität verpflichtet gewesen. Gegen Verfahrensfehler des Gerichts wurde nichts zu Gunsten von Herrn Mollath unternommen. Das ernsthafte Erforschen der Anzeigen von Herrn Mollath hätte aber die Glaubwürdigkeit von seiner damaligen Frau erschüttern können. Staatsanwaltschaften entsprechen ihrer Rolle nur, wenn sie sich allen gesetzeswidrigen Vorgehensweisen verweigern und gegen Urteile, die auf wesentlichen Gesetzesverstößen beruhen, Rechtsmittel einlegen. Dies ist weder im Verfahren vor dem Amtsgericht Nürnberg noch vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth geschehen.



  • Die Staatsanwaltschaft hat 2004 die Anzeige von Herrn Mollath vom Dezember 2003 nicht an das zuständige Finanzamt weitergeleitet, obwohl dies nach § 116 AO angezeigt gewesen wäre. Auch die Verteidigungsschrift mit entscheidenden Unterlagen wurde weder 2004 noch 2012 weitergeleitet und musste erst vom Finanzamt selbst angefordert werden. Die Verteidigungsschrift von Herrn Mollath enthält den klaren Hinweis, dass die HypoVereinsbank ihre interne Revision eingeschaltet hat, trotzdem hat die Staatsanwaltschaft den Revisionsbericht 2003/2004 nicht angefordert. Auch im Rahmen der fachaufsichtlichen Überprüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft und das Justizministerium ist das nicht aufgefallen oder es wurde ignoriert.



  • Die Staatsanwaltschaft hat jährlich die Fortdauer der Unterbringung beantragt. Eine kritische Überprüfung dieser Position fand nicht statt. Selbst als die Betreuungsrichterin in Straubing aufgrund des Gutachtens von Herrn Dr. Simmerl dringend eine Überprüfung anregte oder als längst die Fakten bekannt waren, die zu den Wiederaufnahmeanträgen führten, beantragte die Staatsanwaltschaft – mit Zustimmung des Ministeriums – noch die weitere Unterbringung.

  • Bei der Vorbereitung eines Wiederaufnahmeantrags hat die Staatsanwaltschaft Regensburg gründlich und objektiv gearbeitet. In den beiden ersten Anträgen vom 18.12.2012 und vom 06.02.2013 wird wegen der zahlreichen Rechts- und Verfahrensverstöße von einer Rechtsbeugung des Richters ausgegangen. Allerdings hat Generalstaatsanwalt Nerlich dafür gesorgt, dass alle Wiederaufnahmegründe, die ein Versagen der Justiz bedeutet hätten, aus dem letztendlich eingereichten Antrag entfernt wurden. Dass sich das Ministerium hier herausgehalten haben will, ist nicht glaubhaft. Es hätte im Interesse des Rechtsstaats und auch einer vernünftigen Fehlerkultur in der Justiz gelegen, die von der Staatsanwaltschaft Regensburg herausgearbeiteten Rechtsbeugungen in den Wiederaufnahmeantrag aufzunehmen.


Lupo  / PIXELIO / pixelio.de

Lupo / PIXELIO / pixelio.de


Versäumnisse der Finanzbehörden:




  • Die Aussage des Richter Brixners gegenüber den Finanzbehörden war neben der Arbeitsüberlastung und der Absicht, wertvolle Ressourcen für „größere Fälle“ zu schonen, ursächlich dafür, dass 2004 keine Ermittlungen erfolgten. Der Stempel „Spinner“ wurde nicht hinterfragt und hat auch 2010 und sogar bis heute dafür gesorgt, dass Herr Mollath nicht ernst genommen wurde.



  • Die Verteidigungsschrift mit entscheidenden Unterlagen (u.a. Buchungsanordnungen, Vermögens- und Anlageverzeichnisse) wurde weder 2003 vom Finanzamt Nürnberg noch 2010 vom Finanzamt Bayreuth angefordert, obwohl Herr Mollath in seiner Anzeige darauf hinwies. Somit blieb unerkannt, dass die HVB die interne Revision eingeschaltet hatte. Der Revisionsbericht enthält jedoch keine neuen Tatsachen, die für die Aufnahme der Ermittlungen in 2003/2004 notwendig gewesen wären. Er enthält aber eine Bestätigung von Herrn Mollaths damaligen Angaben. Er ist heute insoweit relevant, als sich mit ihm die Theorie vom Spinner bzw. Wahn, die die Untätigkeit rechtfertigen sollte, nicht aufrechterhalten lässt.



  • Die Ermittlungen, die 2012 endlich aufgenommen wurden, hätten schon viel früher aufgenommen werden können. Die Anzeige aus 2003 und die Verteidigungsschrift hätten ausgereicht, um Ermittlungen aufzunehmen. Heute steht fest, dass die Angaben von Herrn Mollath weitgehend zutrafen, weswegen nun über zwanzig Verfahren geführt werden und bereits Razzien bei zwei Banken stattfanden. Die Ermittlungen betreffen Steuerpflichtige, welche von Herrn Mollath bereits 2003 benannt worden waren. Diese Tatsache und die Tatsachen, dass einige der Verfahren bereits mit Strafbefehlen abgeschlossen werden konnten und dass es daneben in mindestens zwei Fällen zu strafbefreienden Selbstanzeigen gekommen ist, belegen, dass die Anzeigen von Herrn Mollath eben nicht substanzlos waren. Die Selbstanzeige war allein wegen des Zeitablaufs erforderlich, weil sie bestätigte, dass es noch immer Steuerhinterziehungen aus dem von Herrn Mollath angezeigten Personenkreis gibt; eine Bestätigung, die 2003 nicht nötig gewesen wäre. Die Ermittlungsmöglichkeiten in die Schweiz haben sich seit 2003 nicht verändert. Die Anforderung von Negativattesten, Durchsuchung und Vernehmungen waren schon immer möglich. Noch immer wirkt sich allerdings der Stempel „Spinner“ für Herrn Mollath aus. So wird er auch in den aktuellen Ermittlungen der Steuerfahndung nicht als Zeuge befragt.



  • Die Ausführungen des Präsidenten des Landesamts für Steuern gegenüber dem Landtag in Bezug auf das Telefonat des Richters mit den Finanzbehörden und den hierzu angefertigten Aktenvermerke waren abstrus und entsprachen in mehreren Punkten nicht den Tatsachen. Der Präsident hat auch im Untersuchungsausschuss die Ausübung des Kontrollrechts des Parlaments nicht in geeigneter Weise unterstützt.


Versäumnisse des Justizministeriums:




  • Die fachaufsichtliche Kontrolle im Justizministerium hat doppelt versagt. Mögliche Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung wurden nicht vorgenommen, obwohl das Ministerium schon 2004 alle notwendigen Unterlagen vorliegen hatte. Die Fachaufsicht wurde 2005 sogar komplett verweigert, indem Herr Mollath an die Behörde zurückverwiesen wurde, gegen die sich seine Beschwerde richtete. Für Herrn Mollath wurde Entlastendes schlicht ignoriert und Ermittlungen zu seinen Gunsten wurden nicht vorgenommen.



  • Die Stellungnahme des Ministeriums gegenüber dem Landtag im Rahmen der Eingabe 2004 war unbrauchbar. Ein Hinweis auf den Inhalt der Verteidigungsschrift mit den Schreiben der Bank, den Buchungsanordnungen zu anonymen Konten oder auf Vermögensanlagenverzeichnisse fand sich darin nicht. Aufgrund der unvollständigen und einseitigen Darstellung konnte keine objektive Kontrolle stattfinden, da die Abgeordneten nicht über die Aktenkenntnis des Ministeriums verfügen. Es ist im Übrigen davon auszugehen, dass sich nicht alle Abgeordnete darüber bewusst sind, dass es ihnen möglich ist, die zugrundeliegenden Akten auch einzufordern (Art. 6 Abs. 3 des Bayerischen Petitionsgesetzes). Auch in den folgenden Eingaben an den Landtag kann im Rahmen der Stellungnahme der Ministerien nicht von der Wahrnehmung der Fachaufsicht die Rede sein. Die bisherigen Entscheidungen wurden jeweils unkritisch übernommen.



  • Das Justizministerium wurde seiner Aufsichtspflicht nicht gerecht, weil Herr Braun 2011 von der Staatsanwaltschaft als Zeuge hätte vernommen werden müssen. Ermittlungen fanden überhaupt nicht statt, obwohl die Aussage von Herrn Braun im Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 18.03.2013 als Wiederaufnahmegrund gemäß § 359 Nr. 5 StPO gewertet wurde. Obwohl Herr Braun nicht antragsberechtigt war, wurde schon in der Abgabenachricht des Ministeriums die absurde Umdeutung in einen Wiederaufnahmeantrag vorgenommen. Außerdem wurde der Landtag nicht ausreichend über die Schreiben des Herrn Braun informiert.



  • Obwohl der Fall Mollath seit beinahe einem Jahr auf der politischen Agenda stand und groß darüber in den Medien berichtet wurde, will sich die Ministerin bis November 2012 lediglich auf die Darstellung des wesentlichen Inhalts des 17-seitigen Revisionsberichts und eine eigene Bewertung der Staatsanwaltschaft verlassen haben. Es ist aber davon auszugehen, dass der Revisionsbericht der HypoVereinsbank nicht erst am 09.11.2012 im Ministerium vorlag, sondern schon Anfang 2012. Das ergibt sich aus der Aktenlage. Die Zeugenaussagen sind deshalb als unwahr zu bewerten.



  • Es ist nicht glaubwürdig, dass bei einer historisch einmaligen Weisung zur Beantragung der Wiederaufnahme durch die Staatsanwaltschaft, keine Unterlagen im Ministerium existieren und eine eigene fundierte schriftliche Beurteilung einer Wiederaufnahme nicht vorgenommen wurde. Ebenso wenig ist die Behauptung glaubhaft, wonach man im Ministerium lange nach einem Wiederaufnahmegrund gesucht habe und dass sich das Ministerium in Bezug auf die Wiederaufnahmegründe herausgehalten haben will.


Gabi Eder  / PIXELIO / pixelio.de

Gabi Eder / PIXELIO / pixelio.de



  • Das Krisenmanagement der Ministerin war katastrophal. Sie hat von Anfang an vehement verlautbaren lassen, dass aus ihrer Sicht alles richtig gemacht worden sei. Sie hat Informationen an den Landtag und auch gegenüber der Öffentlichkeit stets einseitig und zulasten Herrn Mollaths dargestellt (vermeintliches Qualitätssiegel BGH, Verteidigungsschrift als abstruses Sammelsurium nicht ursächlich für die Unterbringung etc.). Außerdem hat sie in der Öffentlichkeit, aber auch vor dem Untersuchungsausschuss eine Reihe von juristisch sehr angreifbaren Argumentationen und Halbinformationen präsentiert (zum Anfangsverdacht, Befangenheit nur Revisionsgrund, HVB-Bericht nur Scheinkronzeugensatz etc.). Eine Bereitschaft, die Vorgänge kritisch zu hinterfragen und neue Erkenntnisse zur berücksichtigen, zeigte die Ministerin erst, als Forderungen nach ihrem Rücktritt laut wurden und der Ministerpräsident sich einschaltete. Der Verweis der Ministerin auf die „unabhängigen Gerichte“ und dass ihr eine Bewertung nicht erlaubt sei, wird von ihr nur vorgeschoben. Denn die Ministerin hat von Anfang an sehr wohl persönliche Wertungen vorgenommen und ihre persönliche Meinung zum Fall Mollath vertreten.



Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen